31. Juli 2012

Hoeneß'sche Verbalitäten

Manchmal nimmt er seine Spieler in den Arm, kümmert sich herzlich um sie, wenn sie Probleme haben. So geschehen bei Mehmet Scholl oder bei Sammy Kouffur Mitte der 1990er. Auch gab er so manchen Spielern eine Vertragsverlängerung nach einer schweren Verletzung, obwohl sie diese leistungstechnisch nicht unbedingt verdient hätten, wie im Falle Alexander Zickler vor einigen Jahren. Nicht zu Unrecht haftet Uli Hoeneß der Ruf als herzlicher, gutmütiger Mensch an. Seine Art manche Spieler anzufeuern, ist jedoch nicht immer die eleganteste. Neuestes Opfer der Hoeneß'schen Art zu motivieren, ist Mario Gomez. Erst vor einigen Tagen ordnete der Präsident den Nationalstürmer der Kategorie "gut", aber nicht "sehr gut" zu. Heute legte Uli Hoeneß am Rande des Testkicks gegen eine Auswahl aus Amateurkickern in Ingolstadt nach: "Wenn er sehr gut wäre, wären wir jetzt Champions League-Sieger." Was er jedoch bei dieser unbedachten Aussage vergisst, ist, dass die Münchner ohne die zwölf Champions League-Tore von Mario Gomez wohl nicht ins Finale der Königsklasse eingezogen wären. Man erinnere sich an die zwei Buden gegen Manchester City und deren drei gegen den SSC Neapel in der Gruppenphase. Auch an die Treffer in der K.O.-Phase gegen Basel und Marseille. Nicht zu vergessen das eminent wichtige 2:1 in der 90. Minute im Halbfinale gegen Real Madrid. Ebenso steuerte Gomez 26 Bundesliga-Treffer bei. Ohne seine Tore wären die Bayern nicht Vize-Meister geworden, sondern stünden bestenfalls auf einem Champions-League-Qualifikationsplatz.

Der frühere Manager ist, wie wir wissen, kein Freund von "Puderzucker in den Hintern" blasen. Auch möchte er, dass es in "Zukunft auch mal regnet, wenn die Leistung nicht stimmt". Und spätestens nach der letzten Saison wird auch kein "Spieler mehr in Watte" gepackt. Ob diese persönlichen Verbalattacken allerdings die richtigen Mittel sind, die feinfühlige Nummer 33 der Bayern auf Höchstleistung zu bringen, sei jedoch dahin gestellt. Stattdessen hätte er es Mario Mandzukic und Claudio Pizarro überlassen sollen, Druck auf den Mittelstürmer ausüben zu lassen - und zwar nicht verbal, sondern physisch auf dem Trainingsplatz und dem Spielfeld.

Auszeichnungen für SC-Nachwuchs: Fritz-Walter-Medaillen für Ginter und Däbritz

Tolle Auszeichnung für die Jugendabteilung des SC Freiburg: Matthias Ginter erhielt heute die Fritz-Walter-Medaille in Gold für den besten Fußball-Nachwuchsspieler unter 18 Jahren. Ebenfalls ausgezeichnet: Sara Däbritz von den SC-Frauen. Somit gesellt sich Matthias Ginter zu klangvollen Namen wie Marko Marin und Toni Kroos, die in der Vergangenheit ebenfalls ausgezeichnet wurden und mittlerweile einige Länderspiele unter Joachim Löw bestritten haben. Der 18-jährige Freiburger machte bereits in der Saison 2010/2011 in der A-Jugend-Bundesliga auf sich aufmerksam: In 25 Spielen gelangen ihm satte 14 Tore – und das als Defensivspieler. Es folgten erste Auftritte in der U18-Nationalmannschaft unter Christian Ziege und der DFB-Junioren-Pokalsieg im Jahr 2011. Unter Coach Christian Streich gelang Ginter dann der Sprung zu den Profis des SC Freiburg. Der Nachfolger von Michael Sorg brachte den Allrounder in 13 Spielen - ganze zehn Mal spielte er sogar durch. Ginter dankte es seinem Förderer mit guten Leistungen. So steuerte er etwa das siegbringende 1:0 gegen den FC Augsburg im ersten Rückrundenspiel der vergangenen Saison per Kopf bei. Viele SC-Anhänger betrachten diesen Sieg im Nachhinein als Grund für den Aufschwung und den daraus resultierenden Nichtabstieg.
Doch nicht nur Matthias Ginter wurde mit einer Fritz-Walter-Medaille bedacht: Auch Sara Däbritz von den SC-Frauen bekam für herausragende Leistungen die bronzene Auszeichnung für die beste Spielerin des U17-Jahrgangs. Stets zu gut für die Damen-Jugend, kickte sie mit einer Sondergenehmigung bei der B-Jugend der Herren ihres Heimatvereins mit. Im vergangenen Winter griff dann der SC Freiburg zu und verpflichtete Däbritz für die Frauenmannschaft.
Die Fritz-Walter-Medaille wird jedes Jahr von der gleichnamigen Stiftung in Gold, Silber und Bronze an die herausragenden Talente der U17-, U18- und U19-Jahrgänge in Deutschland vergeben. Die Sieger werden durch eine Jury, bestehend aus Vertretern des DFB-Präsidiums, des DFB-Jugendausschusses und des DFB-Trainerstabes ausgewählt. Die seit der Saison 2004/2005 vergebene Medaille gilt mittlerweile als die angesehenste Auszeichnung im deutschen Jugendfußball. Die Übergabe der mit 20 000 beziehungsweise 10 000 Euro dotierten Medaille findet vor dem WM-Qualifikationsspiel der deutschen Mannschaft gegen die Färöer Inseln am 7. September in Hannover statt. Tipps, wie man sich am besten auf eine solche Preisverleihung vorbereitet, können sich Matthias Ginter und Sara Däbritz bei Teamkollege Marco Terrazzino holen. Der Neuzugang vom Karlsruher SC bekam im Jahr 2009 ebenfalls die goldene Medaille für den besten Spieler des U18-Jahrgangs des DFB.

[Auch erschienen auf fudder.de]

30. Juli 2012

Fotoshooting und Test-Doppelpack

Wer sich den olympischen Spielen entsagen und schweren Herzens auf chinesische Wunderkinder und deutsche Schwimm-Enttäuschungen verzichten kann, dem seien die nächsten zwei Fußball-Abende ans Herz gelegt. Sport1 hat nämlich erkannt, dass sich Geld immer noch am besten mit Bayern Live-Übertragungen verdienen lässt. Daher überträgt der Sender aus Ismaning das morgige "Paulaner Traum-Spiel" der Münchner gegen eine bunt zusammen gewürfelte Amateurelf in Echtzeit. Einen Tag später senden die Fernsehkameras live vom Betzenberg: Hier stehen sich die Bayern und die Roten Teufel aus Kaiserslautern mit Neuzugang Mohamadou Idrissou gegenüber.



- Dienstag, 31. Juli, 19.45 Uhr auf Sport1: Paulaner Traum-Elf - Bayern München
- Mittwoch, 1. August, 18 Uhr auf Sport1: 1. FC Kaiserslautern - Bayern München

Vor diesem Test-Doppelpack traten die Münchner heute zum obligatorischen Fotoshooting an. Bis auf die neue Gel-Frisur Pizarros (Bild), Dantes hervorstechenden Wuschelkopf (TZ) und Franck Ribérys Spritztour mit dem für die Verletzten David Alaba und Rafinha vorgesehenen Wagen (Merkur), gab es heute nichts Neues von der Säbener Straße.

[Bildquelle: fcbayern.telekom.de]

29. Juli 2012

Mit dem Nachtzug nach Kiew

Bereits einen Monat ist es her, als es mit dem Nachtzug nach Kiew zum Europameisterschaftsfinale ging. Zeit, dass Geschehene noch einmal Revue passieren zu lassen.

Eigentlich sollte unser Nachtzug mit Ziel Kiew bereits um 21.50 Uhr auf Gleis 11 am Berliner Hauptbahnhof ein- und losfahren. Doch daraus wurde leider nichts. Statt es sich bereits gegen Mitternacht in den Liegesesseln gemütlich zu machen, musste der harte Bahnhofsboden herhalten. Immer wieder ließen Lautsprecherdurchsagen unsere fußballbegeisterte Reisetruppe aufhorchen. Doch statt einer Ankündigung, dass der Zug endlich kommt, wurden wir mit Wartezeit abgestraft. Erst eine, dann zwei, dann fünf Stunden. Einige warfen bereits früh die Flinte ins Korn und verabschiedeten sich genervt von dem Gedanken eines Stadionbesuchs. Stellenweise waren wir die einzigen Passagiere auf dem Gleis. Schwierig war nicht nur der harte Boden: Auch die Biervorräte gingen so langsam aus. Mit Schuld daran war ein polnischer Greis, der sich mit unvergleichbarem Charme das ein oder andere Bier erschlich. Auf dem Nachbargleis kam – ebenfalls mit Verspätung – der Zug aus Warschau an. Heraus sprangen singende Deutschlandanhänger, die unsere Elf im Halbfinale gegen Italien leider erfolglos nach vorne gepeitscht hatten. Der angeblich „modernste Bahnhof der Welt" bot dem Reisenden nach Mitternacht nicht einmal mehr seine DB-Lounge an. Stattdessen versuchten die Angestellten es mit Verzehrgutscheinen im Wert von 6x2 Euro. Sehr brauchbar, wenn bereits sämtliche Imbisse und Kneipen im Hauptbahnhof geschlossen hatten. Nach einiger Zeit sprach sich der Grund der Verspätung zu uns durch: Das ukrainische Pendant zur Deutschen Bahn hat in freudiger Erwartung einer Riesenanzahl an deutschen Fans zwölf weitere, uralte Waggons an die Lok gehängt, welche von der Deutschen Bahn-Aufsicht für untauglich erklärt wurden. Sprich: Erst wenn die Waggons abgehängt werden, wird der Zug nach Kiew zugelassen. Wird die Bahn uns tatsächlich die Reise nach Kiew verwehren?

Nach 5 Stunden und 40 Minuten fuhr endlich der D-Zug nach Kiew
ein. 
Leider ohne die zwölf Extrawaggons und somit auch ohne den Schlafwagen, den wir gebucht hatten. Doch statt sich dem Schicksal zu fügen und bedröppelt die Heimreise anzutreten, huschten wir einfach an der nur Ukrainisch sprechenden Schaffnerin vorbei und sicherten uns ein Abteil. Glücklicherweise war es unbesetzt – so konnten wir uns, auch ohne das nötige Extrakleingeld einen Platz verschaffen. Was für ein Chaos hätte wohl geherrscht, wenn Deutschland ins Finale gestürmt und eine Unmenge an Fans auf diesen Zug angewiesen wären? In den Abteilen herrschte nur Platz für drei Personen. Auf den Gängen war ein Nächtigen beinahe unmöglich: Kaum ein Rollkoffer konnte problemlos durch sie hindurch gezogen werden. Ich klemmte mich zwischen Gepäckablage und oberstes Stockbett. Ich hatte zirka dreißig Zentimeter zur Decke und wenn es hoch kommt anderthalb Meter zum Ausstrecken. Bei 1,89 Meter Körpergröße gar nicht so einfach. Trotz der Halbfinalniederlage wollten sich auch andere Deutsche das Spektakel „Endspiel" nicht nehmen lassen. Einige machten statt Deutschland anzufeuern einfach zwei Wochen Urlaub in Kiew, andere präsentierten ihre rosa Schalke-Jerseys auf der Kiewer Fanmeile. Wir passierten Posen, Warschau sowie Lublin und überquerten die polnisch-ukrainische Grenze. Hier standen wir geschlagene drei Stunden. Grund: Der Zug musste mit neuen Fahrgestellen versehen werden, da die deutsche Norm nicht mit der ukrainischen übereinstimmte. Dies geschah in einer abgelegenen Halle. Hier hievte ein Kran den kompletten Zug in die Höhe. Während rauchende Bauarbeiter Hand anlegten wurden unsere Pässe kontrolliert. Doch nicht nur das: Auch meine Kamera fiel dem Militär zum Opfer. Ich hätte angeblich Fotos in diesem abgesperrten Areal gemacht, was verboten sei. Glücklicherweise bekam ich sie nach einem langandauernden Monolog des ukrainischen Soldaten wieder. Die ukrainische Bahn dachte zwar an Bettdecken, aber nicht an einen Speisewagen. Bei jedem Halt auf ukrainischem Terrain versorgten uns zum Glück fliegende Händlerinnen mit Knabbereien und Getränken. Sie verkauften lauwarme Pierogi, kühles Bier und meterlangen Trockenfisch. Nur dank dieser Speisen (und selbst mitgebrachtem Nuss-Nougat-Aufstrich) überlebten wir die gut 30 Stunden andauernde Fahrt auf dieser neugeschaffenen Verbindung Berlin – Kiew überhaupt... Nachts um drei Uhr kamen wir in der ukrainischen Hauptstadt an. Glücklicherweise gelang es uns, eine private Wohnung als Unterkunft zu gewinnen. Günstig in einem Plattenbau mit über 200 Wohnungen gelegen und beschaulich eingerichtet, aber dafür zentral gelegen und mit tollem Blick ausgestattet.

Nach einer geruhsamen Nacht auf der Schlafcouch stand endlich der Endspieltag an. Über schier kilometerlange Rolltreppen gelangten wir zur U-Bahn, welche uns zum Ticket Corner, der in der Nähe des Stadions war, brachte. Hier mussten die vorbestellten Karten für das Endspiel abgeholt werden. Es warteten in Rot gekleidete Spanier auf ihre Billets, ukrainische Anhänger ließen sich mit Italienern ablichten und Fans in russischen Jerseys versuchten übrig gebliebene Tickets zum Höchstpreis an den Mann zu bringen. Für uns lief alles glatt. Nur das wir für die Gutscheine für ein Endspiel mit deutscher Teilnahme nun Karten für die Begegnung Spanien gegen Italien in der Hand hielten. Auch nicht schlecht!


Mittags um zwölf Uhr war die Fan-Zone bereits sehr gut gefüllt. Trommler wirbelten auf der Bühne und unterhielten die verschiedenen Fangruppen. Mädchen mit Stutzen und kurzen Hosen verteilten Werbeartikel und animierten zu guter Laune. Eine Sängerin, ein Abklatsch von Shakira, grölte auf der großen Bühne, wo sich im Vorfeld noch ein Deutscher und ein Engländer auf der PlayStation bekämpften. Von überall erklang der Horror-Ohrwurm „Endless Summer" von Oceana und Frauen schminkten Kinder in den Landesfarben der jeweiligen Teams. An einigen Ecken versammelten sich Fans jeglicher Couleur zu gemeinsamen Trinkaktionen. Spanier zogen durch die Straßen und sangen in lauter Vorfreude einem erneuten Sieg entgegen. Ukrainer und Polen gingen Hand in Hand. Deutsche Fans mit Schweinsteiger, Müller oder Gomez auf dem Rücken stimmten im Minutentakt neue Gassenhauer an: Ob „Deutschland, Deutschland!", „Ohne Deutschland wär‘ hier gar nichts los!" oder „Super Deutschland, olé!" – jeder Fangesangfeinschmecker wäre hier auf seine Kosten gekommen. Auch das mittlerweile etablierte „Humba, Humba tätterrää!" (oder doch lieber „Ufta"?) machte immer wieder die Runde. Nur von den italienischen Anhängern hörte man beinahe nichts. Ein Fan aus Greifswald sagte mir, dass „bis zu 25 000 Deutsche" in der Stadt seien. „Von den Spaghetti-Essern (sic!) seien jedoch gerade einmal 3000 da." Neben den angesprochenen Fußballtouristen erkannte man einige Nacktdemonstrantinnen, die schleunigst – und vor allem rabiat – von der Polizei entfernt wurden. Im Gegensatz zu der ca. 50 Meter langen Ansammlung an Infoständen, welche stumm für eine Befreiung Julia Timoschenkos protestierten. Nach einer kurzen Mittagspause mit feinster Rindszunge, fettigem Saumagen, Zwiebelringen, Unmengen an Bier und vielen Gesprächen mit polnischen Fans („Our team sucks, but your team was very good, but: Deutschland, Deutschland alles ist vorbei!") und deutschen Kollegen, die zu viert auf der Hinfahrt einen Großteil ihrer 95 Dosen Bier verbrauchten, ging es in Richtung Kiewer Olympiastadion.


Hier feierten Fans in deutschem Gewand mit rot-gelber Wangenbemalung mit Anhänger in rotem Jersey mit
schwarz-rot-goldener Farbe im Gesicht. Wer hätte das noch 2010 gedacht, als Spanien uns in Südafrika aus dem Turnier schoss? Ein Algerier sprach mich an. Er zeigte auf mein weiß-schwarzes Shirt, hob den Daumen und fügte in gebrochenem Deutsch hinzu: „Ich liebe die deutsche Mannschaft. Ich bin ein großer Fan seit ich diesen Schneider das erste Mal gesehen habe." „Bernd Schneider?", fragte ich ungläubig und bekam die leidenschaftliche Antwort: „Bernd Schneider. Ein wahrer Fußballgott!" Aus meinen Überlegungen, Bernd Schneider vielleicht doch in den Fußball-Olymp zu hieven, holten mich Musiker, die uns noch einmal mit „Smoke on the Water" einheizten, bevor es dann endlich ins Stadion ging. Leider waren unsere Karten mit einer Sichtbehinderung versehen. Ein riesiger Betonblock sorgte für eine schlechte Sicht. Doch war das Stadion, anders als angekündigt, nicht ausverkauft. So konnte sich unsere Reisetruppe einige Reihen weiter unten niederlassen. Hier trafen wir auf viele Fans der deutschen Mannschaft. Wir feierten Jogis Elf, warfen gemeinsam mit Bierdeckeln und stimmten immer wieder „Deutschland, Deutschland"-Rufe an. Ich behaupte, wir versprengten Deutschlandfans haben mehr Stimmung gemacht, als die Anhänger der Squadra Azzurra. Auch auf dem Platz war bei den Italienern tote Hose. Friedrich aus Berlin, der sechs Stunden vor Abfahrt seines Zuges noch gar nichts von seinem Stadionbesuch in Kiew wusste, bescheinigte dem Italo-Star Balotelli eine „ziemlich blasse Vorstellung". Auch Pirlo, Cassano und Buffon erwischten einen rabenschwarzen Tag. Gegen glänzend aufspielende Spanier setzte es eine 4:0-Niederlage. Xavi, Casillas & Co feierten sich auf dem Rasen, die Organisatoren erhellten den Nachthimmel mit einem imposanten Feuerwerk und die Anhänger der Furia Roja jubelten auf den Rängen ihren Helden zu. Anders sah es außerhalb des weiten Rundes aus. Hier feierten die Spanier alles andere als ausgelassen. Es herrschte beinahe Feierroutine. Wie selbstverständlich marschierten sie durch das Turnier und sicherten sich den dritten Titel nach 2008 und 2010. Nur „Cheftrommler" Manolo, der Mann mit der Trommel, welcher angeblich noch kein Spiel der spanischen Mannschaft verpasst hat, war derjenige, der für Stimmung im spanischen Fanlager sorgte. Den Rest an Festivität besorgten – natürlich – die Deutschen. Was für eine grandiose Party wäre wohl gestiegen, wenn Jogis Jungs den Pokal geholt hätten?

Nach einem weiteren Tag Sightseeing in Kiew ging es wieder für geschlagene 26 Stunden in den Zug. Diesmal war jeder Waggon da. Nach lustigen Begegnungen mit ukrainischen Gastarbeitern und einer devoten Schaffnerin waren wir gegen Vormittag mit nur einer halben Stunde Verspätung in Berlin angekommen. Hier hatten wir sogar Gelegenheit unsere Verzehrgutscheine für ein feines Frühstück einzulösen. Welch‘ schöner Abschluss einer tollen Reise!


[Bilder: Tobias Ilg]

Auch erschienen bei SPOX.com.

28. Juli 2012

Zäher als Kaugummi

Die Suche nach einem neuen Sechser dominiert nach wie vor die Münchner Gerüchteküche. Scheinbar haben sich die Verantwortlichen auf Martinez geeinigt, der allerdings erst wechseln darf, wenn ein Verein 40 Millionen Euro auf den Tisch legt. Das bestimmt nicht nur der Manager von Athlétic Bilbao, sondern eine im Vertrag eingearbeitete, in Spanien übliche, festgeschriebene Ablösesumme. Diese stellte die Münchner bei einem letztjährigen Transfergeschacher ebenso vor Probleme. 2003 war es, als Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge sich in La Coruna zu Verhandlungen mit dem Präsidenten von Deportivo Augusto Cesar  Lendoiro trafen. Dieser verlangte damals deutlich mehr Geld vom Bayern-Vorstand als diese zu zahlen bereit waren. Immer wieder pochte Lendoiro auf die festgeschriebene Ablösesumme von 60 Millionen Euro in Makaays Vertrag. Auch damals waren sich die Münchner einig, diese Summe nicht zu zahlen. Der Transfer des Tor-Phantoms zog sich hin wie ein Kaugummi, phasenweise drohte er gar zu platzen. Erst das offensive Auftreten und Farbe bekennen des Niederländers ("Über Bayern hört man nie etwas Negatives, da wird immer pünktlich gezahlt, da ist alles klasse. Die Münchner sind ein Superclub.") sorgte schließlich für einen Transfer und für 78 Tore in 129 Bundesligaspielen. Bayern überwies schließlich 18,75 Millionen Euro statt dem gewünschten dreifachen Betrag. Die obligatorische Ausstiegsklausel entpuppte sich als reines Taktierinstrument. Vielleicht sollten Sammer & Co vielmehr eine eindeutige Aussage und somit einer Entscheidung des Spielers forcieren. Martinez bisherige Kommentare lassen nach wie vor Platz für Spekulationen. Es wird Zeit, dass er sich endgültig zu einem Verein bekennt. Es wäre für alle drei Parteien, Javi Martinez, Athlétic Bilbao und den FC Bayern München, eine Erleichterung. 

Im Martinez-Poker brachte der heutige Tag folglich keine Entscheidung. Unterdessen zeichnet sich eine weitere interessante Möglichkeit ab, welche womöglich die "königlichste" Lösung wäre - im wahrsten Sinne des Wortes. Das intensive Interesse Real Madrids - und besonders José Mourinhos! - an Luca Modric lässt deren Defensiv-Chef Sami Khedira wohl über einen Wechsel nachdenken. Im Mai verwies er einen Transfer zwar noch ins Reich der Fabeln, doch da stand auch noch nicht der Wechsel des kroatischen Ausnahmespielers kurz vor dem Abschluss. Kaum wurde dies publik, bekundete der AC Milan sein Interesse. Khedira solle für Modric "geopfert" werden, so italienische Medien. Sollte der deutsche Nationalspieler wirklich wechselwillig sein, müssten die Bayern sofort zuschlagen. Khedira neben Schweinsteiger auf der Doppel-Sechs? Dieser Gedanke wäre wohl mindestens 40 Millionen Euro wert. Doch auch in diesem Fall würde die leidige Ausstiegsklausel in Khediras Vertrag den Münchnern Kopfschmerzen bereiten: Diese beträgt beim 25-Jährigen nämlich nicht 40 Millionen Euro wie bei Martinez, sondern exorbitante 150 Millionen Euro!

27. Juli 2012

Das "steife Bein" der Bayern

Gestern schaffte es die Bild eine E-Mail des ehemaligen Bayern Co- und Amateurtrainer Andries Jonker, die für den FC Bayern bestimmt war, an die Öffentlichkeit zu bringen. Diese Nachricht strotzt nur so von Rechtsschreibfehlern, doch hat sie auch einige wahre Dinge zum Inhalt. Neben nicht zu beurteilenden Sachlagen die vom eigentlich ruhigen Holländer thematisiert werden, wie einer möglichen Versetzung in die U-19 oder Diskrepanzen zwischen ihm und den neuen Jugendleitern Hans-Jörg Butt und Michael Tarnat, bringt Jonker auch ernsthafte Probleme ans Tageslicht. So fehle den Münchnern eine einheitliche Philosophie und Organisation im Jugendbereich. Das "steife Bein" des "goldenen Fußallpferdes" Bayern München sei, laut Jonker, die Jugendarbeit. Die drei weiteren Beine ("Profibein", "finanzielle Bein" und "kommerzielle Bein") würden das lahme Bein einfach mitschleppen. Harte Kritik vom Niederländer, der insgesamt drei Jahre im Verein tätig war. Bis zur Verpflichtung van Gaals und jenen Jonkers war es um den Jugendbereich eher still. Erst durch den Hang zur Talentförderung der zwei Niederländer bekamen ein Müller, ein Badstuber oder ein Alaba überhaupt erst die Chance, im Profikader Fuß zu fassen. Zwar gewann die Reserve des FC Bayern 2003/2004 die Regionalligameisterschaft, fortan machte sich aber ein schleichender Abstieg bemerkbar. Kaum ein Talent gelang der Sprung in die erste Mannschaft der Münchner. Und wenn doch, dann wurde es beinahe reflexartig verkauft, wie etwa bei Misimovic, Ekici oder Hummels geschehen. Es fehlte an einem Konzept zur Jugendförderung. Ein einheitliches Spielsystem im Jugendbereich? Nicht vorhanden. Alteingefahrene, verkrustete Prinzipien, keine neuen Anreize: Die Mannen um den damaligen Jugendchef Werner Kern beharrten auf ihr traditionelles Arbeiten. Trauriger Höhepunkt der Negativ-Entwicklung war der Abstieg der Bayern Reserve aus der 3. Liga in die Regionalliga Süd im Jahr 2011. 
Auch Jonker gelang es vergangenes Jahr nicht, den direkten Wiederaufstieg zu realisieren oder einen bleibenden Eindruck im Jugendbereich der Münchner zu hinterlassen. Aus Wut zog er nun lieber weiter nach Wolfsburg, um dort Felix Magath zu assistieren. Metaphorisch ausgeklügelt fügt er am Ende seines Briefes hinzu, dass der FC Bayern, das "potenzial beste und schnellste Pferd der Fußballwelt", wohl nun bessere Zeiten entgegenblicken könne. Ein neuer Reiter sei gekommen. Und dieser wird "machen das es Philosophie, Organisation, Inhalt und Voraussetzungen gibt". Nehmen wir Andries Jonker beim Wort und hoffen, dass mit Matthias Sammer als innovativen Jugendförderer und mit der Hilfe seiner Kollegen Mehmet Scholl, Michael Tarnat und Hans-Jörg Butt das vierte Bein schnell gesundet, um das "goldene Fußballpferd", wie der 49-Jährige so schön sagt, wieder in vollem Glanze erstrahlen zu lassen. Die ersten Schritte sind bereits getan.

25. Juli 2012

Not auf den Außen

David Alaba fällt laut neuesten Informationen für rund zwei Monate mit einem Ermüdungsbruch im linken Fuß aus. Diese Verletzung erlitt der Österreicher im Testspiel gegen den SSC Neapel. Auch auf der rechten Seite gibt es eine Verletzung zu vermelden. Rafinha erlitt in der selben Prtie einen Bänderiss und fehlt den Münchnern vier bis fünf Wochen. Somit sind die Probleme auf den Außenverteidigerpositionen, die eigentlich mit der Ideallösung Lahm auf rechts und Alaba auf links zu den Akten gelegt werden sollten, wieder akut. 
Nichtsdestotrotz muss Trainer Jupp Heynckes bis zum Saisonstart eine Lösung finden. Wechselt Lahm nun vorübergehend  wieder auf links und Jerômé Boateng verteidigt rechts hinten? Vielleicht darf sich aber auch Neuzugang Mitchell Weiser auf dieser Position versuchen. Oder aber Diego Contento, dessen Vertrag erst kürzlich bis 2016 verlängert wurde, bekommt seine ultimative Chance, Alaba zu vertreten, während Lahm weiterhin die rechte Seite beackert. Vielleicht zeichnet sich aber auch eine überraschende Lösung ab: Neuzugang Xherdan Shaqiri könnte diese Position ebenfalls bekleiden. Beim FC Basel lief er einige Male als linker Verteidiger auf und bekam ausschließlich positive Kritik. Sein ehemaliger Teamkollege vom FC Basel Alex Frei prophezeit ihm gar eine Weltkarriere, wenn er sich für diese Position entscheiden sollte. Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge schloss indes eine Lösung durch einen Spielerkauf via Sport-Bild aus: „Wir werden keinen neuen Spieler als Außenverteidiger verpflichten. Sowohl Rafinha als auch David Alaba fallen nicht solange aus, dass sie nicht bis zum Saisonstart zurück sind. Ein Transfer wäre idiotisch.“
Verletzungen sind immer bescheiden. Der Kader der Münchner ist jedoch so gut aufgestellt, dass er solche auf beinahe jeder Positionen - zumindest zeitweise - kompensieren kann. Nur die linke Defensivseite, stellt - bei Ausfall Alaba - nach wie vor die die Achillesferse der Münchner dar. Wie wichtig der Shootingstar als Linksverteidiger ist, konnte man in den K.O.-Spielen der letztjährigen Champions League-Saison beobachten, als er eine Weltklasse-Partie nach der anderen ablieferte. Glücklicherweise sind es noch knapp fünf Wochen hin bis zum Saisonstart. Dies ist aber auch der einzige positive Grund, dass die Liga erst so spät beginnt.

24. Juli 2012

Werbung in eigener Sache

Auf ihrer China-Reise legen sich die Bayern besonders abseits des Platzes ins Zeug. Beinahe jeder Autogrammwunsch wird erfüllt, kein Mikro für Kurzinterviews ausgelassen. Es wird stets gelächelt und das Victory-Zeichen in die Luft gestreckt. Auch werden neben den eigenen Trainingseinheiten kleine Jungkicker mit Spaßtrainingseinheiten beglückt. Mal tricksen mit Shaqiri? Kein Problem. Zweikämpfe mit Gustavo? Sowieso. 1,34 Milliarden Chinesen sind mindestens genauso viele potenzielle Käufer eines Bayern-Trikots. "Ich denke, dass wir einen weiteren Schritt zur Globalisierung des FC Bayern beitragen können", so Präsident Uli Hoeneß. Das Ziel der Fernost-Reise somit klar definiert.
Doch auch auf dem grünen Rasen zeigten die Münchner heute beim Testkick gegen Beijing Guoan eine engagierte - und vor allem herzliche! - Leistung. Beinahe mit schlechtem Gewissen nahm beispielsweise Mario Gomez bei seinem Tor zum 6:0 den gegnerischen Verteidiger liebevoll in den Arm. Generell zeigte der deutsche Nationalstürmer eine gute Leistung. In der zweiten Hälfte gar Kapitän, trug er neben dem angesprochenen Tor noch einen Assist bei. Doch der Reihe nach: Trainer Jupp Henyckes schickte wie erwartet Boateng als Lahm-Ersatz auf den grünen Rasen. Neben ihm verteidigten Dante, van Buyten und Contento. Im Mittelfeld starteten Timoschtschuk und Kroos auf der Doppelsechs sowie Robben, Shaqiri und Ribéry auf den Offensivpositionen. Im Sturm durfte sich Claudio Pizarro austoben, der sein Vertrauen mit einem Kopfballtor rechtfertigte. Auch trafen in Halbzeit Eins ein Pekinger Verteidiger unglücklich ins eigene Tor und Arjen Robben per Kopf. Zur zweiten Halbzeit gab es acht Spieler- und ein Systemwechsel. Unter anderem verteidigten nun Weiser auf rechts und Badstuber zentral neben Dante. Der schon erwähnte Gomez bildete mit Mandzukic fortan eine Doppelspitze, während Müller jetzt über rechts und Shaqiri über links stürmten. Eine durchaus interessante Variante, welche dem Münchner Spiel mehr Flexibilität verleihen könnte. Mario und Mario harmonierten gut, profitierten aber auch von der Spielfreude der offensiven Außen. Erst erhöhte Müller zum 5:0, dann ließ "Kraftwürfel" Shaqiri seine Schnelligkeit nochmals aufblitzen und bereitete den Endstand durch Gomez ansehnlich vor. Die chinesischen Fans waren beeindruckt. Sicherlich auch, weil die Bayern mit chinesischen Lettern auf dem Rücken aufliefen. Was tut man nicht alles für Aufmerksamkeit in Fernost. Das muss man der Merchandising-Abteilung der Bajuwaren ja lassen: Sie wissen, wie man aus solchen Spaßveranstaltungen Geld macht und die "Marke FC Bayern" verkauft.

Diese gewonnenen Yuan bzw. Euro könnten direkt in das Angebot der Münchner für den Basken Javi Martinez fließen. Denn nun ist dieser, nach der Absage von Lars Bender, wieder auf Platz Eins der Prioritätenliste gerückt. Und Atlétic Bilbao beharrt nach wie vor auf eine Ablösezahlung von 40 Millionen Euro.

23. Juli 2012

Gesucht: Ein junger Sammer

Die Bayern sind auf der Suche nach einer Kante, einem Defensivspezialisten, der Dreck frisst, die Ärmel hochkrempelt und aggressiv vorweg geht. Eigentlich genau so einen Typ Spieler, wie es Münchens Sportvorstand Matthias Sammer war, als er noch selbst auf dem grünen Rasen stand bzw. diesen umpflügte. Ob es diese Spezies Fußballkämpfer überhaupt noch gibt?


Auch ein Bender hat seinen Preis

Nun also doch: Der FC Bayern ist an einer Verpflichtung von Lars Bender interessiert. Wie Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge nach der Ankunft in Peking mitteilte, gäbe es für einen Spieler "immer einen Preis" - ein Dementi klingt anders. Zudem ließ er in diesem Zusammenhang vielversprechend durchklingen, dass Karl Hopfner nicht ohne Grund auf die Reise nach Fernost verzichtet habe.
Lars Bender, der bei der vergangenen Europameisterschaft auf sich aufmerksam machte, gilt als einer der favorisierten Spieler von Matthias Sammer. Nicht nur, weil der Sport-Vorstand in dem jungen Leverkusener vielleicht ein Abbild von sich selbst sieht, sondern  vielmehr, weil Bender in den letzten Spielzeiten mit starken Leistungen in der Bundesliga auf sich aufmerksam machte. Ebenso verkörpert er, wie kaum ein anderer Defensivspieler, die Eigenschaften, welche die Münchner suchen: Ehrgeiz, Wille, Kampfbereitschaft. Auch Trainer Jupp Heynckes, der Bender zwei Jahre lang in Leverkusen coachte, hält große Stücke auf den 23-Jährigen. Wohl vorausschauend schickte er diesem nach seinem Torerfolg gegen Dänemark eine Glückwunsch-SMS. Das wiederum verärgerte Leverkusens Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser sehr, der sich öffentlich nicht nur über Heynckes neue Fähigkeit Kurzmitteilungen zu tippen wunderte, sondern auch über die forschen und offensiven Lobhudeleien des Münchner Übungsleiters. 
Noch ist der Transfer des gebürtigen Rosenheimers nicht in trockenen Tüchern, doch deutet einiges auf eine Verpflichtung hin. Die Causa Martinez ruht seit einigen Tagen. Die Bayern sind nicht bereit, die geforderten 40 Millionen Euro Ablösesumme zu investieren. Auch das kolportierte Interesse an den Italienern Pirlo und Marchisio wurde in das Reich der Fabeln verwiesen. Gestern erweiterte Sport1 die Liste potenzieller neuer Sechser um Nigel de Jong. Ob der als aggressiv (und gelegentlich unsportlich) geltende Holländer wirklich auf dem Radar der Münchner ist, darf jedoch bezweifelt werden.
Auch wenn Holzhäuser einen Wechsel Benders in seine bayrische Heimat kategorisch ausschließt, wird in diesem Poker das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Umso besser, denn ein Bender würde dem Münchner Zentralverbund gut zu Gesicht stehen. Beispielsweise könnte sich Bastian Schweinsteiger wieder vermehrt auf das Überbrücken von Verteidigungs- und Angriffsspiel konzentrieren, da sich der Neue vollends den Defensivaufgaben widmen würde. Dennoch sollten sich die Bayern treu bleiben und keine Unsummen in diesen Transfer investieren. Ein Spieler hat, wie wir von Kalle Rummenigge gelernt haben, seinen Preis - jedoch sollte dieser im Falle Bender die 18 Millionen Euro-Marke nicht überschreiten. 

Übrigens: Bisher ist glücklicherweise noch keine Koan-Bender-Aktion der Münchner Ultras überliefert - und das, obwohl Lars Bender eine blaue Vergangenheit umweht. Hoffentlich bleibt dies auch so. 

21. Juli 2012

Ob die Bayern da nicht...

ausversehen den falschen Baseler verpflichtet haben? In einem Interview mit dem schweizerischen Boulevardblatt Blick gab der Neuzugang von Borussia Mönchengladbach zu Protokoll, dass er sich schon auf ein Duell mit den Münchnern freue - er sei "ja auch Bayern-Fan"! Was diese Transferperiode verhindert blieb, kann ja noch werden. Vielleicht sorgen ja gute Leistungen und die Überredungskunst des schon bei den Bayern kickenden Xherdan Shaqiri für einen baldigen Transfer des Gladbacher Eidgenossen zu seinem Lieblingsverein. Was wiederum Trainer Lucien Favre nicht sonderlich schmecken dürfte. Jedoch ist auch dies nicht von allzu großer Bedeutung: Kann sich dieser ja ebenfalls gut vorstellen, bald auf der Münchner Trainerbank Platz zu nehmen - eine extra eingefügte Klausel im Vertrag machts möglich.

Granit Xhakas Sympathiebekundungen für den FCB könnt ihr bei 1'40 im folgenden Video selbst begutachten:


[Vielen Dank an Clemens für den Hinweis!]

20. Juli 2012

Härtetest verloren - Neuzugang gewonnen?

Der erste ernsthafte Test der Saisonvorbereitung endete mit einer 3:2-Niederlage für die Bayern gegen den SSC Neapel. In Trentino trafen für die Münchner David Alaba und Xherdan Shaquiri. Letzterer glänzte mit einem wunderbaren Freistoßtor aus 16 Metern. Für die Italiener netzten Cannavaro per Seitfallzieher, Pandew und Insigne ein. 
Bayern-Coach Heynckes stellte gleich vier Neuzugänge auf: Das Tor hütete Starke, neben Kapitän van Buyten verteidigte Dante, Shaqiri zog auf der Zehn die Fäden und Mario Mandzukic versuchte sich als alleinige Spitze. Die Bayern dominierten bereits zu Beginn die Partie. Schnell sorgte der engagierte Alaba, welcher kurz vor der Pause angeschlagen raus musste, für die Führung. Nach und nach kamen die Napolitaner besser ins Spiel und somit zum verdienten Ausgleich. Nach der Pause dröppelte das Spiel vor sich hin. Bei den Bayern kam Emre Can ins Spiel und gab den Rechtsverteidiger. Pizarro ersetze Mandzukic - blieb jedoch ohne nennenswerte Chance. Auch das im Februar von Bröndby IF verpflichtete dänische Talent Pierre Emile Hojbjerg durfte erneut mit den Profis auflaufen. Der 16-Jährige machte mit einigen Dribblings im linken Mittelfeld auf sich aufmerksam und zeigte insgesamt eine ordentliche Leistung. Torhüter Tom Starke parierte einige Male glänzend. Trotzdem fing sich der ehemalige Hoffenheimer noch zwei weitere Gegentreffer. Kurz vor Schluss gelang van Buyten beinahe noch der Treffer zum 3:3 - doch der Ball hüpfte am Torpfosten vorbei. Aufgrund der vielen Trainingseinheiten in den letzten Tagen, fehlte die nötige Kraft für das letzte Aufbäumen. Somit kassieren die Münchner ihre erste Niederlage in dieser Saison.
Mit dem Test gegen den SSC Neapel endet das Trainingslager in Trentino. Am Sonntag starten die Münchner ihre China-Reise. Nicht dabei sein werden Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm. Beide sollen laut Heynckes in München ein individuelles Aufbauprogramm absolvieren. Die Einnahmen des Tests gegen Neapel wurden gespendet - vielleicht wurde die Partie aber er auch für eventuelle Transferverhandlungen genutzt: Nach der Absage von Javi Martinez und dem Dementi gegenüber einer Verpflichtung von Lars Bender, brachten letzte Woche verschiedene Medien Gökhan Inler, derzeit im defensiven Mittelfeld der Hellblauen tätig, ins Gespräch. Der Marktwert des schweizerischen Nationalspielers wird auf 16 Millionen Euro taxiert. Ob Nationalmannschaftskollege Shaqiri ein Wort für die Münchner einlegen würde? Sicherlich. Wichtig zu klären wäre jedoch vielmehr, ob Bastian Schweinsteiger überhaupt Lust auf seinen neuen potenziellen Partner im defensiven Mittelfeld hätte. War es doch Inler, mit dem Schweinsteiger im November letzten Jahres während eines Luftkampfes zusammenstieß und sich dabei unglücklich das Schlüsselbein brach. 

Dem Buhlen erlegen

In jeder Transferperiode konnte man sich sicher sein, dass in irgendeiner Zeitung das Gerücht kursiert, Hamit Altintop stehe kurz vor einem Wechsel in die Türkei. Immer wieder erwiesen sich diese Nachrichten als reine Spekulationen. Was nicht zuletzt an der kreativen und erfindungsreichen türkischen Sportpresse lag. 
Statt direkt aus Wattenscheid, wo der geborene Gelsenkirchener das Kicken erlernte, den Weg in das Land seiner Wurzeln zu suchen, zog es Altintop lieber zum FC Schalke 04. Hier machte er nicht nur mit seinen zwei sehenswerten Buden im ersten Profi-Spiel auf sich aufmerksam, sondern spielte sich aufgrund guter Leistungen fix in das Notizbuch der Münchner Scouting-Riege. Somit erlag Altintop, trotz mehrfacher hochdotierter Angebote aus der Türkei, der nicht weniger gut aufgehübschten Vertragsofferte der Münchner Bayern. Hier trat er in die Fußstapfen von "Brazzo" Salihamidzic und agierte für insgesamt vier Jahre als Allrounder auf der rechten Seite. Stets solide, immer da wenn man ihn brauchte. Nach zwei deutschen Meisterschaften und zwei DFB-Pokalsiegen sowie dem Vize-Titel in der Champions League 2010, heuerte der Deutsch-Türke in Madrid an. In der Fußballwelt stieß diese Verpflichtung auf Unverständnis. Kaum einer traute Altintop den großen Schritt zu, sich im Madrider Starensemble einen Platz in der Mannschaft zu erkämpfen. Zu allem Überfluss erschwerte dieses Vorhaben eine langwierige Verletzung, während dieser Altintop angeblich sogar auf sein Gehalt verzichtete. Anders als bei den Bayern, wo er auf 63 Bundesliga-Partien kam, fand er sich regelmäßig auf der Tribüne des Estadio Santiago Bernabéu wieder. Insgesamt sollte der Rechtsfuß nur fünf Ligapartien absolvieren. Immerhin stand am Ende einer verkorksten Saison der Gewinn der nationalen Meisterschaft. Kaum war das Transferfenster in diesem Sommer geöffnet, war es dann wieder so weit: Die Gerüchteküche brodelte. Der 29-Jährige stünde kurz vor einem Engagement in der Türkei. Würde Altintop dem Buhlen der heimischen Klubs erneut widerstehen können? Diesmal nicht: Letzte Woche überwies Galatasaray Istanbul, trainiert von Altintops Ziehvater Fatih Terim, drei Millionen Euro auf das Konto der Madrilenen für die Dienste des türkischen Nationalspielers. In der geschichtsträchtigen Metropole unterschrieb er einen Vertrag bis 2016. Es ist das erste Mal, dass Altintop seine Fußballstiefel für einen türkischen Fußballverein schnürt. Nun ist Hamit endlich "Zuhause" in der Türkei angekommen. Da, wo er seit Beginn seiner Karriere immer hingeschrieben wurde.

18. Juli 2012

Wo bleibt der Dialog?

Politik und Sport: Immer wenn diese beiden Komponenten zusammen kommen, wird es brenzlig. So auch gestern wieder, als unser Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich mit den Vertretern der Profiklubs in Deutschland über die Sicherheit in den Stadien diskutierte. Horrorvisionen zur Lösung des Gewaltproblems standen im Raum, beispielsweise wurde im Vorfeld über die Abschaffung von Stehplätzen diskutiert oder über lebenslanges Stadionverbot. Auch stand zur Debatte, dass in Zukunft die Vereine für das Polizeiaufgebot in den Stadien aufkommen sollen - was für viele finanziell nicht machbar gewesen wäre. Doch, wie so oft, wenn Politiker am Werke sind, waren die Drohungen im Vorfeld nur heiße Luft. Jegliche Sorge blieb unbegründet, keines der angedachten Verbote wurde - glücklicherweise - in die Realität umgesetzt. Stattdessen verabschiedeten Rauball und Co  einen Maßnahmenkatalog, welcher unter anderem  Stadionverbote bis zu zehn Jahre, eine deutliche Abneigung gegenüber Pyrotechnik und drastischere Geldstrafen vorsieht.
Wichtiger wäre es aber wohl gewesen, endlich auch Fanvertreter hinzuzuziehen, um einen konstruktiven Dialog anzuberaumen. Im Frühjahr zeigten doch Fankongresse, dass es auch anders geht, dass Szenen wie in Frankfurt, Dresden, Düsseldorf oder Karlsruhe nicht der Bundesliga-Alltag sind. Es stellt sich, nach dem gestrigen Treffen die Frage: Hat dieser Sicherheitsgipfel überhaupt etwas zur Lösung der Probleme in den Stadien beigetragen? Wahrscheinlich nicht. Denn am Ende sind es die Anhänger der Vereine, die auf der einen Seite das Problem sind, auf der anderen Seite aber auch durch gezügelte Emotionen und euphorische Vernunft über die Lösung des Problems entscheiden. Um zu einer Lösung zu kommen, ist ein Dialog zwischen Fans und Funktionäre unumgänglich. Man hätte die Fanvertreter jetzt schon ins Gespräch mit einbeziehen müssen.

[Bild: Tobias Ilg]

Das neue Sternchen am Himmel

Beim gestrigen Testkick gegen eine Auswahl aus Trentino machte Kevin Friesenbichler mit einem lupenreiner Hattrick auf sich aufmerksam. Doch bereits in den zwei vorangegangenen Tests zeigte der 18-Jährige sein Talent mit eindrucksvollen Leistungen. Der österreichische Angreifer wechselte 2010 für 500 000 Euro von Admira Wacker Mödling in die Jugendabteilung des FC Bayern. Obwohl noch für die A-Jugend spielberechtigt, wird Friesenbichler für die von Mehmet Scholl trainierte zweite Mannschaft der Münchner auflaufen. Derzeit darf sich der Juniorennationalspieler bei den Profis beweisen, was ihm sichtlich Freude bereitet, wie er gegenüber der Münchner Abendzeitung verlauten ließ: "Das ist sensationell. Ich kann mir von den Profis so viel abschauen. Mario Mandzukic hat ein sensationelles Kopfballspiel, Claudio Pizarro ist unglaublich clever. Das sind beide Weltklasse-Stürmer, von denen ich viel lernen kann." Vor allem Ösi-Kollege David Alaba hilft bei der Integration: "Alaba hilft mir sehr. Wir Österreicher müssen zusammen halten."
Die Gazzetta dello Sport, welche dem gestrigen Testkick einen Artikel widmete, erwähnte, neben dem "entfesselten" Robben, auch jenen Kevin Friesenbichler aus dem beschaulichen Örtchen Weiz in der Oststeiermark: Er sei "das neue Sternchen aus der hervorragenden Jugendabteilung des FC Bayern." Dieser Kommentar der italienischen Fachzeitschrift unterstreicht die neu angekündigte Linie der Münchner, vor der eigenen Haustür nach Talenten zu suchen und diese selber auszubilden, statt fernab in Südamerika Unmengen an Euro für mies gescoutete Weltstars in spe hinzublättern.

Vier Tore in drei Testpartien sind eine tolle Leistung, der Weg zu den Profis aber ist lang. Doch wer weiß: Vielleicht schafft es der junge Friesenbichler ja bald, seinem Spezi Alaba nachzueifern und einen festen Platz im Kader der ersten Mannschaft zu ergattern. Wenn er sich weiterhin so viel von Pizarro und Mandzukic abkupfert, ist das in absehbarer Zeit gar nicht mal so unwahrscheinlich.

16. Juli 2012

Vorturner Jupp

Seit nun mehr zwei Wochen befinden sich die Bayern in der Vorbereitung für die neue Saison. Momentan weilen die Truppe in Trentino, einem illustren Örtchen am Gardasee. Nach intensiven Trainingseinheiten und bereits zwei Testkicks gegen unterklassige Teams, hat es nun heute den ersten Akteur mit einer Verletzung erwischt. Nein, es handelt sich nicht um Arjen Robben, liebe Bayern-Anhänger, sondern um Jupp Heynckes! Der 67-jährige Übungsleiter der Münchner sprintete heute, während der ersten Einheit im italienischen Trainingslager, einige Male selbst mit. Wie zu besten Zeiten im Sturm von Borussia Mönchengladbach und der deutschen Nationalelf in den 70er Jahren, erlief sich "Osram" einige Bälle, zeigte seinen Kickern, wie ein sauberer Pass mit der Innenseite gespielt wird und wie man einen Ball aus kürzester Distanz mit dem Oberschenkel stoppt - all das für den hohen Preis eines Muskelfaserrisses. Für Heynckes heißt es nun zwei Wochen pausieren, ehe er wieder als Vorturner agieren darf. Schön, wenn dieses Engagement auch auf die Mannschaft abfärbt - bestenfalls aber ohne Verletzungen.

[Bild: Screenshot Alpenglühen Film/bild.de]

15. Juli 2012

FC Bayern Deutschland vs. Borussia Deutschland

Nach dieser Transferperiode könnte der BVB, so die BILD am Sonntag, eine komplette deutsche Nationalelf auf den Platz bringen. Das Boulevard-Blatt errechnete den Anteil der Deutschen im Kader auf sensationelle 73,3 %. Dagegen habe der FC Bayern München gerade einmal 57,7 % Spieler im Kader, die den deutschen Pass besitzen. Und das, obwohl der bayrische Verein einstmals selbst das Ziel ausgab, den Großteil der Nationalmannschaft zu stellen und als "FC Bayern Deutschland" zu fungieren. Statt nur deutsche Neuzugänge, wie Bittencourt, Reus, Schieber und Kirch (Neuzugang Nummer 5, Mustafa Amini aus Australien, wird für die Untermauerung dieser zur Schlagzeile tauglichen These dezent unterschlagen) zu präsentieren, verpflichteten die Münchner, bis auf Weiser und Starke, nur Ausländer. Was die BILD in ihren profunden  Recherchen glatt vergessen hat, ist, dass auch der so unterlegene FC Bayern problemlos eine durchaus schlagkräftige deutsche Truppe aufbieten könnte.

Zum Vergleich: Die Redakteure der BILD-Redaktion würden diese schwarz-gelben Akteure auf den Rasen schicken: Weidenfeller - Kirch, Owomoyela, Hummels, Schmelzer - Kehl, Gündogan - Reus, Götze, Großkreutz - Schieber.
Das Münchner Pendant sähe so aus: Neuer - Lahm, Boateng, Badstuber, Contento - Can, Schweinsteiger - Weiser, Kroos, Müller - Gomez. 

Zur Vollständigkeit noch etwas zum Schluss, was die BILD nicht berücksichtigt hat: Den Münchnern fehlen, zur sogenannten ersten Elf, drei ausländische Stützen, nämlich Ribéry, Robben und Alaba. Die Dortmunder benötigen da schon vier Akteure (Blaszczykowski, Lewandowski, Piszczek, Subotic). Sprich: Bei den Bayern stehen 73,7 % deutsche Spieler in der Startformation, bei den Borussen "nur" 63,6 %. Ohje, liebe BILD, These von Borussia Deutschland ade.

14. Juli 2012

Der geheimnisvolle Flipchart

Vergangene Woche gab Bayerns Vorstandsvorsitzender Einblick in seine Arbeitsweisen. Auf einer Flipchart, neudeutsch für Tafelschreibblock oder Umblätterdiagramm (Für all diejenigen, die ihren Computer gelegentlich auch Klapprechner und ihr Handy ein Tragtelephon nennen), notierte er das gesamte Team des Rekordmeisters, um dann mit Karl Hopfner zu dem Entschluss zu kommen, dass kein Neueinkauf mehr von Nöten sei. Der Kader sei, so Rummenigge, "deutlich besser aufgestellt als im vergangenen Jahr." Sollten aber Matthias Sammer und Jupp Heynckes anderer Meinung sein, würden sie das "Okay" von Hopfner und ihm bekommen.
Ob Matthias Sammer sich noch einmal auf den Transfermarkt begibt, um einen neuen Spieler zu verpflichten, ist ungewiss. Seit Wochen sind die Münchner an Javi Martínez von Atlétic Bilbao dran. Erst wurde Vollzug gemeldet, kurz darauf wieder dementiert. Mittlerweile soll sich der 23-Jährige Defensiv-Allrounder definitiv für einen Verbleib im Baskenland ausgesprochen haben. Über Alternativen wird zuhauf diskutiert. Angeblich besitzt Sammer eine nun nicht mehr geheime Liste, auf welcher sich, neben Martinez, die Namen Marchisio, Melo und M'Vila finden lassen. Auch Lars Bender wurde von einigen Medienvertretern als Partner für Bastian Schweinsteiger in die Runde geworfen. Gegenüber Sport1 wollte sich Sammer zu diesem potenziellen Neuzugang nicht äußern, fügte aber vielsagend hinzu, dass es momentan "ein paar interessante junge deutsche Spieler" gäbe, die "auf Dauer für uns interessant sein könnten." Namen nannte der Sport-Vorstand nicht. Doch sind bereits zwei mehr als vielversprechende Talente in seinen eigenen Reihen. So spielte sich in den vergangenen zwei Testpartien besonders Mitchell Weiser in den Fokus. Mit tollen Flankenläufen und einem unbekümmerten Auftreten, deutete er sein Können eindrucksvoll an. Auch Emre Can bestach nicht nur mit einer für einen 18-Jährigen ungeheuren Physis, sondern gefiel auch im Spielaufbau mit Übersicht und in der Defensive mit einigen guten Tacklings.
Sollten Heynckes und Sammer wirklich noch einmal auf Shoppingtour gehen, müssten ein bis zwei Spieler ihre Kaderplätze räumen. Aussichtsreichster Kandidat für einen Abgang ist wohl Anatolij Timoschtschuk. Mit seinen beherzten Auftritten bei der Europameisterschaft spielte er sich in den Fokus des Hamburger SV. Dieser sucht nach dem Abgang von David Jarolim händeringend nach einem neuen Defensivmann mit Erfahrung. Für fünf Millionen würden die Bayern ihn wohl ziehen lassen. Einziger Haken sind die sechs Millionen Euro Jahresgehalt, die der HSV wohl nur mit externer Hilfe, in Form eines Investors, stemmen könnte.
Der Sommer in Deutschland scheint bereits zu Ende. Der Transfersommer dagegen kommt jetzt erst richtig in Fahrt. Und wer weiß: Vielleicht hatte Kalle Rummenigge noch einen ganz anderen Namen auf seiner Flipchart stehen, mit dem keiner rechnet - nicht einmal Sport-Vorstand Matthias Sammer. 

13. Juli 2012

"Zehn Spieler von Dynamo und ein Linksverteidiger von Werder Bremen!"

Viktor Skripnik (43), ehemaliger Bundesligaspieler von Werder Bremen und Nationalspieler der Ukraine, wird in dieser kleinen Reihe Einblicke in sein Privatleben geben. Mal sprachen wir über seine Anfänge im Fußball, dann wiederum über die Fertigkeiten eines Fußballtrainers. Heute plaudert Skripnik im letzten Teil der Interview-Reihe über die wichtigsten Personen, die ihn während seiner Laufbahn begleiteten. Der "Beckham der Ukraine" äußert sich ebenso zu den Fertigkeiten eines guten Trainers, zur medialen Berichterstattung und zu seinen größten Momenten.


Welches waren die wichtigsten Personen, die Sie während Ihrer Laufbahn begleiteten?


Ich glaube, für uns Sportler ist die Familie am wichtigsten. Personen, die nach einer schwierigen Zeit Zuhause auf dich warten und dir die nötige Kraft zum Kämpfen geben. Das ist eine entscheidende Sache für einen Profifußballer. Wenn man nur Stress hat und niemand Zuhause auf Dich wartet, hast du keine langfristige Chance auf höchstem Niveau zu spielen. Für mich lief es optimal: Ich hatte das Glück, dass meine Familie sofort mitreisen konnte. Werder hat sich sehr toll um uns gekümmert und uns eine schöne Wohnung besorgt. Dafür bin ich sehr dankbar. Heute lachen wir gemeinsam über die damaligen anfänglichen Probleme. Man muss aber auch jeden Tag bewusst lernen, sonst kommt man nicht voran. Ich war damals in der Ukraine ein Star, der Wechsel nach Bremen ließ mich zu einem ganz normalen Spieler bei einer Mannschaft auf gutem Niveau werden.

Gab es auch Trainer die für Ihre Laufbahn prägend waren?

Ja natürlich. Besonders der Trainer, der mich damals verpflichtete (Hans-Jürgen Dörner, Anm. des Autors) 5 Mio. Mark gekostet. Heute ist die Summe nicht mehr sehr hoch für einen Transfer, aber für damalige Verhältnisse war dies sehr viel Geld, insbesondere für meinen damaligen Verein. Damit kann man seine Jungs schon einige Monate durchbringen (lacht)! Diesen Druck nimmt man natürlich mit. Natürlich hat man bei dem Trainer, der dich geholt hat, einen kleinen Bonus. Aber trotzdem musst du jedes Mal zeigen, dass du es verdient hast, von Beginn an zu spielen. Klar ist man kein Roboter, aber du musst versuchen auf dem höchstmöglichen Niveau zu agieren, das macht die Besten aus. Aber ich hatte nicht nur gute Zeiten. Dazu kamen auch Verletzungen. Das war zwar schwer, aber trotzdem wichtig für mich.

Sie sind seit 2008 erfolgreicher Jugendtrainer bei Werder Bremen. Was macht einen guten Trainer aus und welche Eigenschaften muss er haben?

Die Kommunikation mit den Jungs ist wichtig. Mit zu viel Distanz kommt man als Trainer nicht weiter. Man muss einfach kapieren, dass die Jungs im Jugendbereich nicht für Geld spielen. Sie lieben Fußball, sie tragen das Spiel noch im Herz. Sie träumen von einem Vertrag im Profifußball. Und wenn ein Trainer, der dafür da ist, diesen Wunsch zu erfüllen, dies nicht schafft, so ist das auch sein Fehler. Auch wenn jeder weiß, dass es verdammt schwer ist, von zwanzig Leuten, alle zwanzig nach oben zu bringen. Bereits wenn es bei Zweien gelingt, ist dies schon ein Erfolg. Wichtig ist es, einfach ehrlich zu seinen Spielern zu sein. Man muss Kompetenz in jedem Bereich vorweisen können, etwa in taktischen Dingen, aber auch außerhalb des Platzes. Du musst nicht nur Zucker geben, sondern auch mal konsequent sein. Ähnlich ist es in der Familie: Kommt der Papa nach Hause, weiß man auch, ob er gute oder schlechte Laune hat. Genauso ist es hier. Allerdings mit 20 Kindern – und jedes Jahr bekomme ich neue. Besonders in meiner Funktion ist es schwer: Ich arbeite mit Spielern, die gerade in der Pubertät sind. Man weiß also nie was passiert…

Orientieren Sie sich als Coach an anderen Trainern unter denen Sie selbst spielten, wie etwa Thomas Schaaf oder ihr Coach zu Nationalmannschafts-Zeiten Valerij Lobanowski?

Wir haben bei Werder unsere Regeln. Alle Trainer, allen voran Thomas Schaaf, arbeiten an einer einheitlichen Philosophie. Wir fragen uns immer: Was passt zu Werder? Wie sollen sich unsere Jungs entwickeln? Das ist auch ein Grund, warum das Stadion immer voll ist. Werder ist eine attraktive Mannschaft, spielt immer mit Kombinationsfußball nach vorne. Deshalb wollen wir das bereits im Jugendbereich in unserem Leistungszentrum trainieren. Diese Philosophie vertreten nicht nur Thomas Schaaf, sondern alle Werder-Trainer, wie Mirko Votava oder Thomas Wolter, die allesamt ihren Job bestens erledigen.

Welcher Trainer beeinflusste Sie am meisten?


Ich erinnere mich etwa an Valerij Lobanowski oder Felix Magath. Aber ich glaube, es wäre nicht richtig, nur bei anderen Trainern abzuschauen. Fußball entwickelt sich weiter. Heute sind andere Dinge bedeutsamer, wie zu unseren Zeiten. Wichtig ist, dass du fachkompetent bist, dass du weißt wo es lang geht. Man muss selbstkritisch sein und die Entwicklungen stetig analysieren. Mit Hilfe der neuen Medien, wie dem Internet, kann man jede Taktik und jedes Spiel aufbereiten. Anders als damals, als du immer live schauen und dich an die Szenen erinnern musstest. Heute kannst du schneiden, wiederholen und so weiter.


Nach einem guten Start in Deutschland fielen Sie in der Saison 1999/2000 in ein Loch. Die Medien spekulierten über anstehende Wechsel, kritisierten Sie und bezeichneten Sie als „Ladenhüter“.
Wie nahmen Sie den Druck damals wahr?


Bei jeder Sportart ist es so, dass du bei einer guten Leistung der König bist. Bei einer schlechten aber bekommst du Antipathie ab. Jeder Zuschauer, jeder Fan und die Medien sind  ungeduldig. Sie wissen nicht, wie du trainierst, ob du angeschlagen oder verletzt bist. Oder du hast einfach mal eine Phase, in der es für dich aus mehreren Gründen einfach nicht läuft. Klar, wenn man regelmäßig schwach spielt oder verletzt ist, dann wird man halt verkauft, aber jeder hat mal eine schwächere Zeit. Wenn man aber aus diesem Keller wieder heraus kommt, ist man nur noch stärker. Wichtig war in meiner Karriere, dass der Trainer gerade in solchen Situationen Vertrauen in mich hatte.

Kommen wir zum Schluss noch einmal zurück zu Ihrer Spielerkarriere. Was waren die wichtigsten Momente Ihrer Laufbahn?


Natürlich kann man die ersten Spiele nicht vergessen, beispielsweise im Profibereich im Alter von 19 Jahren bei einem Turnier in der SSR, wo Mannschaften wie Spartak Moskau oder Dynamo Tiflis spielten. Das war sehr faszinierend. Oder die Rückkehr von Waleriy Lobanowski zur Nationalmannschaft. Sehr stolz war ich beispielsweise mal, als ich der einzige Spieler in der Startelf der ukrainischen Auswahl war, der nicht bei Dynamo Kiew spielte. Zehn Spieler von Dynamo und ein Linksverteidiger von Werder Bremen! Aber auch denke ich oft an das DFB-Pokalfinale zurück oder an die Meisterschaft 2004 mit Werder. Als aktiver Spieler kümmerst du dich allerdings kaum um die Erfolge. Jetzt erst, wo die Zeit vergeht, man mal ein Blick ins Archiv wirft, kommen die schönen Erinnerungen wieder hoch.


[Bild: Tobias Ilg, Mitarbeit: Philipp Schaefer]

Auch erschienen bei 11Freunde und beim Osteuropakanal


12. Juli 2012

Ein Lebenszeichen vom "Lutscher"

Wer einmal einen wirklich ausgebufften Freistoßtrick sehen möchte, dem sei die Variante ans Herz gelegt, die Torsten Frings und sein Toronto FC in einem Major League Soccer-Match Ende Juni ausprobierten. Nach einem schwindelerregenden Anlaufroulette zimmerte der "Lutscher" den Ball mit gefühlten 140 Km/h unter die Latte. Der gegnerische Keeper glänzte hier nicht gerade mit einem sauberen Stellungsspiel. Vielleicht war er aber auch, aufgrund dieses konfusen Vorspiels, einfach zu verwirrt.
Torsten Frings, der in der Saison 2004/2005 die Stiefel für die Bayern schnürte, wechselte 2011 nach Kanada. Seither hört man kaum mehr etwas vom einstigen Partner Michael Ballacks im deutschen defensiven Mittelfeld. Nach anfänglichen Schwierigkeiten und  Verletzungspech avancierte er beim TFC zum Publikumsliebling. Mittlerweile ist Frings, der 79 Länderspiele zu verzeichnen hat, sogar Spielführer. Im Mai verbuchte er mit dem Gewinn der kanadischen Meisterschaft seinen ersten Titelgewinn seit dem DFB-Pokal-Sieg 2009 mit Werder Bremen. Das Niveau kann in der MLS jedoch nicht sonderlich hoch sein: Hielt sich der 34-Jährige doch kürzlich erst in Bremen auf, um sich bei den A-Junioren fit zu halten...

11. Juli 2012

Reif statt live

Zu große Hoffnungen auf ein Ticket für ein Heimspiel des FC Bayern habe ich mir nicht gemacht. Wobei: Eine klitzekleine Hoffnung hatte ich bis heute, 46 Tage vor Saisonstart, dann doch, das Team, um Schweinsteiger, Gomez & Co mal wieder live in Aktion zu sehen. Auch freute ich mich insgeheim, einmal den Afro Dantes  in Wirklichkeit bestaunen, den "Kraftwürfel" Shaqiri über die Außenbahn flitzen und die kaltschnäuzige Art des Toreschießens meines Lieblingsakteurs Pizarro begutachten zu dürfen. Doch daraus wird vermutlich auch diese Saison wieder nichts. Wie die Bayern heute mitteilten, sind alle 17 Begegnungen in der Arena am Kurt-Landauer-Weg restlos ausverkauft. Ja sogar zehntausendfach überbucht! Somit kommen über 1,1 Millionen andere Bayern-Fans in den Genuss, nur ich muss mich mal wieder mit Marcel Reif oder Fritz von  Thurn und Taxis auf der Mattscheibe zufrieden geben.
Eine Restchance bleibt jedoch: Vielleicht lässt sich eine Karte bei einem Pokal- oder Champions League-Spiel, welches unter der Woche stattfindet, ergattern. Leider meist aber auch nur dann, wenn der Gegner FC Ingolstadt oder BATE Borisov heißt. Oder ich spezialisiere mich ausschließlich auf Auswärtsfahrten. Freiburg, Nürnberg, Stuttgart und Bremen sind nämlich auch schöne Städte.

Der erste Saisonsieg!

Erfolgreich ist der FC Bayern in die neue Saison gestartet: Im kleinen Bayern-Derby gegen die Spielvereinigung Unterhaching gelang der Truppe von Jupp Heynckes ein 1:0-Sieg. Das Tor des Tages erzielte David Alaba mit einem sehenswerten Freistoß. Im Dress der Münchner debütierten Ersatzkeeper Tom Starke, Dante in der Innenverteidigung, Mitchell Weiser auf der rechten Außenbahn und Xherdan Shaqiri auf der Zehnerposition. Im Sturm bot Heynckes Jungspund Kevin Friesenbichler auf. Den vielen EM-Urlaubern war es geschuldet, dass die komplette Ersatzbank aus Spielern des Juniorenteams bestand. Unter anderem nahmen hier die Talente Raeder, Vrzogic und Rankovic platz. Am gestrigen Abend gab auch Sportvorstand Matthias Sammer sein Debüt auf der Trainerbank. Stets gestikulierend und mit einem Block und Stift ausgerüstet, verfolgte er die erste Testpartie seiner Mannen. Besonders gefallen dürften ihm Mitchell Weiser und David Alaba haben: Beide machten gestern einen hervorragenden Eindruck. Weiser sorgte einige Male mit präzisen Flanken für Gefahr, Alaba scheiterte einige Male vor dem Tor. Dennoch bescherte dieser den Münchnern den ersten Sieg der Saison 2012/13 mit einem Freistoßtor aus 25 Metern in der 82. Minute.

In den nächsten Tagen ist noch ein weiterer Test geplant, ehe es ins Traininglager nach Trentino geht: Am 13. Juli treffen die Münchner auf den FC Ismaning.

9. Juli 2012

3000 Kilometer in drei Tagen (3)

Die Europameisterschaft 2012 ist nun Geschichte. Auch ich war vor Ort und erlebte grandiose und skurrile Dinge. In dieser dreiteiligen Serie berichte ich Euch von einem Roadtrip nach Lemberg: 3000 Kilometer innerhalb von drei Tagen, die ich so schnell nicht mehr vergessen werde.

Tag 3: Ein Wohnwagen, Stau und Erinnerungen en masse


Nach nur vier Stunden Schlaf mussten wir wieder die Heimreise antreten. Nachdem Sascha seine 90 Euro für eine Nacht im Feldbett bekam machten wir uns auf. Jedoch konnte uns kein Polizist und kein Fußgänger den Weg auf die Autobahn Richtung Heimat weisen. Die Beschilderung taugte ebenso wenig. Kurz vor der ersten Verzweiflung tat sich aus dem nichts ein Wohnwagen mit deutscher Beflaggung vor uns auf. Wir folgten ihm gutgläubig. Vermutlich war der Fahrer in Wahrheit ein Holländer und wollte sich an uns deutschen Touristen für die 2:1-Niederlage rächen, denn wir fuhren dank des Kastenmobils eine geschlagene Stunde im Kreis. Erst nachdem sich das Navigationssystem wieder gefangen hatte, gelang uns der Sprung auf die Autobahn. Dummerweise erwies sich der Grenzübertritt weniger entspannt als auf der Einreise. Eine ganze dreiviertel Stunde stand unser Vehikel in der Sonne, ehe wir polnischen Boden unter den Füßen hatten.
Getreu dem Motto „Der Weg ist das Ziel" hielten wir an allen erdenklichen Rasthöfen. Doch auch ein Badesee diente zur Spontanerfrischung. Bei 35 Grad im Schatten beinahe ein Geschenk des Himmels. Mit nasser Unterhose fuhren wir stundenlang die Autobahn A4/E40 Richtung Westen. Leider wurde diese Straße dem Beinamen „Autobahn" nicht gerecht: Neben den kilometerlangen Staus, störten immer wieder Tempolimits und unnötige Ampeln den Verkehrsfluss. Beschleunigen auf 100 oder gar 120? Unmöglich. Nach neun Stunden Fahrt waren wir an der deutsch-polnischen Grenze angekommen. Eine nette Gastwirtin beglückte uns hier noch mit Krautsalat, feinster Krakauer und dem Spiel Spanien gegen Irland. Glücklicherweise waren die Straßen der Lausitz weder buckelpistenartig noch befahren: Mit reichlich Tempo sprinteten wir durch die Nacht, ehe wir endlich, nach mehr als 15 Stunden in Berlin ankamen. Uns kam es vor, als wären wir Wochen unterwegs gewesen, soviel erlebte unsere Reisetruppe auf dem dreitägigen Trip nach Polen und in die Ukraine. Zum Glück waren es dann doch nur drei Tage, denn mehrere Wochen mit Udo Lindenberg in Dauerschleife hätte ich vermutlich nicht überlebt!

[Bilder: Tobias Ilg]


Auch erschienen bei SPOX.com


Mit der Eleganz einer Götterstatue

Nach einigen Jahren ohne großen Auftritt auf der internationaler Bühne brillierte Andrea Pirlo bei der Europameisterschaft und erlebte eine Art Wiederauferstehung. Mit tollen Pässen und einem klugen Spielaufbau hatte der Mittelfeldstratege mit den größten Anteil am erfolgreichen Abschneiden der Italiener  beim europäischen Großereignis. Diese Leistung weckt Begehrlichkeiten: So sind angeblich die Bayern am 33-Jährigen interessiert. Pirlo könnte neben Bastian Schweinsteiger im Mittelfeld die Fäden ziehen. Der neue Macher Mathias Sammer soll bereits Kontakt zu den Verantwortlichen von Juventus Turin aufgenommen haben und ein 10 Millionen Euro Angebot vorbereiten. Der "Architekt", wie er von seinen Mitspielern gerufen wird, erlebte seine Glanzzeit beim AC Milan. Hier gewann er zweimal die Champions League und mehrere nationale Titel. 2006 folgte mit der Nationalmannschaft der große Coup mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft. Auch diesem Turnier drückte Pirlo seinen Stempel auf. Dem Bayern-Mittelfeld könnte der Vize-Europameister neue Impulse und unberechenbareren Spielwitz verleihen. Auch würden die Standards enorm an Qualität zunehmen.
Ob es tatsächlich zu einem Transfer kommt? Eher unwahrscheinlich. Seit Wochen buhlen die Münchner um Javi Martinez von Athlétic Bilbao. Pirlo könnte ein Druckmittel sein, um die geforderte Ablösesumme von 40 Millionen Euro zu drücken. Trotzalledem: Ein Pirlo, mit seiner grazilen Haltung einer Götterstatue aus der Antike und seinem feinen Füsschen, würde sich im Münchner Mittelfeld in jeder Hinsicht sehen lassen!

8. Juli 2012

Münchener Nummernsalat

Früher galt die Rückennummer als Erkennungsmerkmal für die jeweilige Position. Der Libero lief mit der "5" auf, der Spielmacher bekam die "10" und der Mittelstürmer trug die "9" auf seinem Jersey. Seit der Einführung von festen Rückennummern zur Saison 1995/96 obliegt die Nummernwahl jedoch meist dem Spieler selbst. Dieser wählt nach eigenem Geschmack, Aberglaube oder zusammengewürfelten Quersummen, was zu extrem hohen Nummern führen kann, wie etwa bei Anatolij Timoschtschuk, der seit seinem Dienstantritt 2009 die "44" auf dem Rücken trägt. Marketingzwecke spielen mittlerweile (leider) auch eine Rolle. So ist es beispielsweise der starken Nachfrage nach Schweinsteiger-Trikots geschuldet, dass dieser bei seiner ersten Nummer im Profiteam, der "31" blieb und sich nicht später für einen Wechsel zu einer niedrigeren Ziffer entschied. Ähnlich ist es aktuell bei David Alaba, welchem positionsgetreu die Zahl "3" besser zu Gesicht stehen würde, als die traditionslose "27". Zur neuen Saison bleibt bei den Nummern der vorhandenen Profis alles beim Alten. Somit müssen wir nach wie vor mit einer Viererabwehrkette, bestehend aus den Leibchenzahlen 27 - 28 - 17 - 21, vorlieb nehmen. 
Die Neuzugänge griffen diesen Sommer übrigens zu niedrigeren Ziffern. Dante etwa entschied sich für die "4", die auch schon von Oliver Kreutzer oder Sammy Kuffour getragen wurde. Stürmer Mario Mandzukic schnappte sich die "9", Xherdan Shaqiri die "11". Treu blieben sich die Verantwortlichen bei der Verteilung von Nummern an Spielern aus der eigenen Jugend. Wie in den letzten Jahren sind diese im höheren Bereich zu finden. Emre Can beispielsweise wird mit der "36" auflaufen. 
Wer sich in Zukunft den verwaisten Nummern "2", "3", "6" und "8" annehmen wird, wird wohl auch in dieser Saison nicht entschieden. Vielleicht ist diese Diskussion nur etwas für optische Feinschmecker und Trikotästheten. Denn wirklich wichtig ist immer noch, wer im Trikot steckt und nicht was für eine Nummer hinten drauf steht!

5. Juli 2012

3000 Kilometer in drei Tagen (2)

Die Europameisterschaft 2012 ist nun Geschichte. Auch ich war vor Ort und erlebte grandiose und skurrile Dinge. In dieser dreiteiligen Serie berichte ich Euch von einem Roadtrip nach Lemberg: 3000 Kilometer innerhalb von drei Tagen, die ich so schnell nicht mehr vergessen werde.

Tag 2: Timoschenko & Timoschtschuk, ein deutscher Sieg und ein Bengalo-Bastler


Wir verließen dieses so gastfreundliche Land nach einer Nacht im Hostel gegen Vormittag. Eingeplant waren drei Stunden reine Fahrt sowie zwei Stunden Warten an der polnisch-ukrainischen Grenze. Aus den angedachten drei Stunden wurden ganze sieben. Glücklicherweise aber veranschlagte der Grenzübertritt nicht viel mehr Zeit als 15 Minuten. Direkt nachdem wir das Grenzareal betraten, leitete man uns auf eine eigens angelegte Spur für EM-Touristen. Als Erkennungsmerkmal diente wohl neben dem Berliner Nummernschild auch die deutsche Beflaggung auf dem Dach unseres Vehikels. Die im Vorfeld eilig für den Aufenthalt in der Ukraine abgeschlossene Reisekrankenversicherung hielt ich zwar dem Grenzbeamten demonstrativ unter die Nase, wurde aber eiskalt ignoriert. Endlich erreichten wir Lemberg oder wie der Ukrainer sagt: Lwiw. Die siebtgrößte Stadt der Ukraine mit ca. 730 000 Einwohnern gefiel im typischen post-sowjetischen Baustil. In der Innenstadt, wo unser Hostel gelegen war, konnten wir uns nur im Schneckentempo vorwärts bewegen. Polizisten führten durch den dichten Verkehr, winkten uns durch die zahlreichen Absperrungen und die unglaublichen Anzahl an Einbahnstraßen. Am Wegesrand grüßten Plakate von Julia Timoschenko und Anatoly Timoschtschuk. Das Hostel lag in unmittelbarer Nähe zum Teamhotel der Deutschen, wo sich bereits einige Stunden vor Abfahrt eine große wartende Menschenmasse angesammelt hatte. Inmitten dieser Traube von singenden Fans entdeckte ich ZDF-Sportstudio-Moderator Michael Steinbrecher. Auch wir warteten vor dem „Nobilis", um einen Blick auf Schweinsteiger, Lahm & Co zu erhaschen. Doch leider ließen Jogis Jungs zu lange auf sich warten. So oder so wäre es, aufgrund zahlreicher Polizisten und Absperrungen, beinahe unmöglich gewesen, einen der Spieler zu erblicken.

Zwei Stunden vor Spielbeginn meldete sich der Hunger. Ein Restaurant mit Plätzen im Freien versorgte uns u.a. mit der landestypischen, aber gewöhnungsbedürftigen Gemüsesuppe „Borschtsch", welche aus Roter Bete zubereitet wird. Immer wenn uns eine Horde Dänen entdeckte, hissten sie ihre rot-weiße Fahne und sangen in beinahe akzentfreiem Deutsch: „Schade, Deutschland, alles ist vorbei!" Dass bald für sie die Heimfahrt anstand, konnten sie ja noch nicht wissen. Das Essen ließ auf sich warten. Die Zeit verrann so schnell, dass die Uhr plötzlich nur noch eine Stunde bis zum Anpfiff anzeigte. Die „Arena Lwiw" liegt ca. 20 Minuten außerhalb der Stadt. Eigentlich sollten Bus-Shuttles die Fans von der Innenstadt zur Spielstätte bringen. Doch waren die offiziellen Routen zu verstopft, um pünktlich zum Anpfiff auf seinem Platz zu sein. Nach einigen Fehlversuchen fanden wir endlich ein Taxi, dass uns für 20 Euro ins Stadion brachte. In bester Sebastian Vettel-Manier bretterte der Fahrer mit 90 Sachen durch die Innenstadt. Er überholte rechts, bog Reifen quietschend in Kurven und fuhr wohl jeden erdenklichen Schleichweg den er kannte. Heilfroh noch am Leben zu sein, erwartete uns noch ein Fußmarsch von gut 15 Minuten. Die Uhr sagte Punkt 21.30 Uhr Ortszeit. Schnell wurden dänische, deutsche aber auch viele ukrainische Anhänger überholt. Bier- und Souvenirverkäufer passiert und eindeutig rechts-radikale Zuseher, mit einschlägigen Haarschnitten, Kleidungen und Tätowierungen, links liegen gelassen. Wir rannten, ich verlor meine Perücke in Deutschlandfarben, wir passierten den Eingangsbereich und die Sicherheitskontrolle, sprinteten die Treppen hoch, organisierten fix ein kühles Bier und standen pünktlich zu Beginn der deutschen Nationalhymne auf unseren Plätzen. Was für ein Timing! Glücklicherweise besorgten Jubilar Lukas Podolski und Newcomer Lars Bender den deutschen Anhängern einen erfreulichen Ausgang der Partie. Die anhaltenden Anfeuerungsrufe in unserem Block wurden nur einmal durch das zwischenzeitliche 1:1 der Dänen unterbrochen. Nach Schlusspfiff brachten 15 Busse die Anhänger der deutschen und dänischen Farben zurück ins Lemberger Stadtzentrum. In der Innenstadt feierten deutsche, dänische und ukrainische Fans. Immer wieder hielten die Ukrainer an, zupften am Trikot, an der Hawaii-Kette in Deutschland-Farben oder dem Schal mit dem Bundesadler drauf und formulierten in gebrochenem Englisch „Can i have this?". Diesem Charme konnte man nur schwer wiederstehen. Nach drei liebevollen Anfragen hatten wir all unsere Fanartikel verschenkt. So mussten sich die Einwohner mit Fotos begnügen, die sie immer wieder von uns Deutschen schießen wollten. Vor einer Kneipe ereignete sich eine wunderbare Aktion: Es versammelten sich deutsche, dänische und ukrainische Fußballfans zu einem spontanen Flashmob. Unserem genialen Taktgeber ist es zu verdanken, dass wir mindestens 15 Minuten lang ein „Humba-Humba" zelebrierten. Nicht nur die deutsche Elf wurde gefeiert: Auch die Polen und die Ukrainer bekamen ein inbrünstiges „Polskaaa!" und „Ukraiinaaa!" zu hören, was so manchem Lemberger Passanten die Tränen in die Augen trieb. Nie zuvor habe die Frau jenseits der Fünfzig, die gerade an der besagten Kneipe vorlief, eine solch ausgelassene Stimmung in ihrer Heimatstadt erlebt.

Zu später Stunde kehrten wir in unser Hostel zurück. Sascha, der selbsternannte „Hostelmaster", begrüßte uns samt einem weiteren deutschen EM-Touristen an der Tür mit einer Alkoholfahne. Torkelnd geleitete er uns in die Küche. Wir sollen doch noch einen der „besten Wodka der Welt" mit ihm trinken. Je tiefer Sascha ins Glas blickte, desto offener wurde er. „Ich besitze gar keine Lizenz für das Hostel", warf er plötzlich in die Runde. Nur dank „einigen Hundertern" dürfe er die Wohnung vermieten. Doch nicht nur das: Der sympathische junge Mann outet sich als bekennender Rauchbombenbastler. Eine Vielzahl der Rauchschwaden im Lemberger Stadion gingen auf seine Kappe, erzählte Sascha mit reichlich Stolz in der Stimme. Ich frug ihn, ob er mir nicht ein Exemplar zeigen könne. „Kein Problem", so seine Antwort und schwupp war er in einer Ecke des Raumes verschwunden. Hier lagert Sascha seine „Schätze" in einem feuerfesten Safe. Sicher ist sicher. Er präsentierte mir die kaum 20 Zentimeter großen Stangen und fügte hinzu: „Ich kann alle Farben herstellen. Nur für Blau fehlen mir momentan die Zutaten." Sein Rekord waren übrigens 30(!) gezündete Bengalos während eines Spiels von Karpaty Lwiw. Ein Großteil der Bomben fand den Weg auf den Rasen. Die besagte Partie wurde übrigens nach kurzer Zeit abgebrochen. Auch gab Sascha mir noch einen wertvollen Tipp in Sachen Hereinschmuggeln: „Ich verstecke die Teile immer zwischen meinen Beinen. Fragt mich ein Sicherheitsmann, warum es dort so hart sei, sage ich ihm, sein Abtasten habe mir so gut gefallen – und schon bin ich drin!"

[Bilder: Tobias Ilg]

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4. Juli 2012

3000 Kilometer in drei Tagen (1)

Die Europameisterschaft 2012 ist nun Geschichte. Auch ich war vor Ort und erlebte grandiose und skurrile Dinge. In dieser dreiteiligen Serie berichte ich Euch von einem Roadtrip nach Lemberg: 3000 Kilometer innerhalb von drei Tagen, die ich so schnell nicht mehr vergessen werde.


Tag 1: Udo in Dauerschleife und eine polnische Tragödie

Die Reise in den Osten Europas beginnt in der Hauptstadt Deutschlands. Berlin. Von hier aus startete unser Abenteuer mit dem Ziel Lemberg. Auf die Straße ging es am Samstag. Es war der Tag, an dem die Polen gegen die Tschechen spielten. Diese entscheidende Begegnung wollten wir keinesfalls verpassen. Zu überwältigend und ausgelassen versprachen wir vier uns die Stimmung in Krakau. Somit hieß es für uns: Früh aufstehen, am besten bereits vor Sonnenaufgang. Gesagt, getan. Das Navi zeigte bis „Krakow" 600 Kilometer an. Schnell verließen wir Berlin, durchquerten die beschauliche Lausitz und passierten die deutsch-polnische Grenze. Fortan grüßten die Grashalme zwischen den nicht akkurat verlegten Betonplatten der Autobahn. Diese entpuppte sich schnell als Buckelpiste mit einem beiläufigen Rattern als Nebengeräusch. Somit konnten wir nicht einmal den einzigen CD’s lauschen die wir im Gepäck hatten: einem mehr als bescheidenen Hörbuch sowie dem aktuellsten Live-Album von Udo Lindenberg. Wie schade! Nach einigen Mautstellen, Straßenimbissen mit feinem Gulaschgeruch und einigen Tracks von der Udo-Platte kamen wir in Krakau an. Uns offenbarte sich eine wunderbare Stadt voller Geschichte, eindrucksvollen Sehenswürdigkeiten und vielen aufgeregten Menschen. Die Euphorie schien greifbar. Jeder war in den Farben rot und weiß gekleidet oder hatte sich die Wangen in diesen Farben bemalt. Erinnerungen an das rot-weiße München Mitte Mai kamen auf. Beinahe jeder Balkon war mit einer polnischen Fahne gesäumt. So gut wie jedes Restaurant führte EM-Specials auf der Speisekarte. Wir hatten gerade noch sechs Stunden bis zum Anpfiff des entscheidenden Spiels der Gruppe A. Dennoch versuchten wir im Eiltempo ein wenig Sightseeing zu betreiben. Erschöpft von Fahrt und Denkmal-Marathon diente eine Promenade an der Wisla als Ort kurzer Entspannung. Vom Fußball blieb man aber auch hier nicht verschont: Von allen Seiten vernahm man Polska-Rufe, Menschen in Bierflaschen-Kostümen marschierten auf und ab und priesen ihren günstigen Gerstensaft an. Direkt sollte es nach einer kleinen Stärkung (feinste Pierogi) zum größten Public Viewing der Stadt gehen. Dummerweise war dies jedoch komplett überlaufen. Somit musste eine Alternative her.
Nach einer dreiviertel Stunde wirrem Suchen dann endlich die Erlösung: Ein Zelt mit Platz für ca. 120 Menschen sowie einer gut acht Quadratmeter großen Leinwand. Nach einer kurzen Wartezeit durften wir rein und wurden mitten an einen Tisch von jungen polnischen Fans gesetzt. Zunächst wurden wir kritisch beäugt, doch kaum hatten wir erwähnt, dass wir heute für Polen jubeln, waren wir voll integriert. Die Nationalhymne lief, die polnischen Freunde reckten sich gen Himmel, schmetterten ihre rechte Hand auf die Brust und sangen die „Mazurek Dàbrowskiego" inbrünstig mit. Gänsehautstimmung. Das Spiel lief erst einige Minuten und schon hatte sich die Luft mit dem Geruch von Angstschweiß vermengt. Tropfen plätscherten allmählich von der Decke. Beinahe permanent hallten Schlachtrufe durch das Zelt. Nach einigen vielversprechenden Angriffen der Polen dann der Führungstreffer durch Petr Jiracek für die Tschechen. Stille. Von nun an verstummten die Anhänger in rot-weiß. Stattdessen wurden Fingernägel gekaut und Daumen gedrückt. In der verbliebenden Zeit gelang es dem Team von Franczisek Smuda nicht mehr den Ausgleich zu erzielen. Das Spiel war vorbei. Tränen liefen und Enttäuschung machte sich breit. Allerdings nur für kurze Zeit: Ein Fan rappelte sich auf und stimmte trotzig Polska, Polska-Rufe an. Die Trauer war nur von kurzer Dauer, die Tragödie nur eine kurze. Von nun an überwogen der Stolz und der Optimismus, in Zukunft im Weltfußball eine bedeutendere Rolle zu spielen.

[Bilder: Tobias Ilg]

Auch erschienen bei SPOX.com