22. April 2013

Der Gutmensch Hoeneß

Gegen Bayern-Präsident Uli Hoeneß wurde ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung eröffnet. Ring frei zur großen Hau-drauf-Runde. Die guten Taten des 62-Jährigen dürfen jetzt nicht vergessen werden. 


Im Alter von gerade einmal 18 Jahren erreichte Ulrich "Uli" Hoeneß ein Anruf aus München. Am Hörer befand sich kein geringerer als Udo Lattek, Trainer des FC Bayern aus München. Er wolle ihn in seiner neuen Mannschaft haben. Auf einem Platz mit Maier, Beckenbauer und Müller: Diese Aussicht war es wohl, die es Hoeneß veranlasste, seinem Heimatort Ulm den Rücken zu kehren, sein Lehramtsstudium abzubrechen und fortan die Schuhe für den FC Bayern zu schnüren. Titel und Triumphe folgten. "Er war einfach der reifste aller Jungen, obgleich er immer der jüngste war", sagte sein damaliger Trainer Udo Lattek über ihn. Vor 43 Jahren hätte wohl noch niemand gedacht, dass sich zwischen dem FC Bayern und Hoeneß eine jahrzehntelange Liaison entwickeln würde.
"Es ist erstaunlich wie der Uli es versteht, aus allem ein Geschäft zu machen." - P. Breitner
Im Frühjahr 1979 wechselte Hoeneß ins Management des FC Bayern. Die Münchner erwirtschafteten zu diesem Zeitpunkt zwölf Millionen Mark Umsatz und standen mit sieben Millionen in der Kreide.
Seinen ersten Sponsorenvertrag als Manager unterzeichnete  Uli Hoeneß angeblich auf einem Bierdeckel. Trikotsponsor Magirus Deutz zahlte im Jahr 1979 geschätzte 600 000 Mark pro Saison. 30 Jahre später überweist die Deutsche Telekom jährlich 25 Millionen Euro an den FC Bayern, um prominent auf den Jerseys vertreten zu sein. Auch trieb er das Merchandising voran, was Anfang der Neunziger noch belächelt wurde. Ein Grund, warum die Münchner heute nach eigenen Angaben ein prall gefülltes Festgeldkonto verfügen und einen Jahresumsatz von über 360 Millionen Euro ausweisen – Tendenz steigend.
Ein weiterer kluger Schachzug: Er holte seinen alten Weggefährten Paul Breitner zurück, der zusammen mit Karl-Heinz Rummenigge eine neue sportliche Ära prägen sollte. Unter dem Funktionär Hoeneß gewannen die Bayern inklusive dem Titelgewinn in diesem Jahr 18 deutsche Meisterschaften, nicht zu vergessen die sechs Pokalsiege und der Gewinn des UEFA-Pokals 1996. Das Ziel, den höchsten aller Vereinstitel, die Champions League, zu gewinnen, verlor Hoeneß nie aus den Augen. Die Bayern waren vor 2010 und dem verlorenen Finale „Dahoam“ 2012 bereits drei Mal im Endspiel gescheitert (1982, 1987, 1999), ehe sie endlich, 25 Jahre nach dem letzten Triumph, den Henkelpott auf dem Münchner Rathausbalkon präsentieren konnten. 

Fast alle Titelgewinne des FC Bayern fallen in die Schaffenszeit des gebürtigen Ulmers. Außerdem trieb Hoeneß den Bau der Allianz-Arena, eines der modernsten Stadien der Welt, im Stadtteil Fröttmanning voran.

Auch außerhalb des Platzes sorgte Uli Hoeneß, nebenberuflich Wurstfabrikant mit über 150 000 verkauften Würstchen pro Tag, immer wieder für Schlagzeilen: Die "Abteilung Attacke" entstand und versorgte die Journalisten regelmäßig mit Schlagzeilen. Man denke nur an die Fehden mit Trainer Christoph Daum, Bremens ehemaligem Manager Willi Lemke oder Münchens Oberbürgermeister Christian Ude zurück. 
"Ich bin immer ein harter Gesprächspartner. Aber die Jungs wissen, dass sie sich auf mich verlassen können." - U. Hoeneß
Immer jedoch ist Uli Hoeneß Mensch geblieben. Gegenüber seinen Spielern verhielt er sich stets korrekt und loyal, teilweise freundschaftlich. Mehmet Scholl nennt ihn gar seinen "Ziehvater". Es würde sich kein Fußballer finden lassen, der etwas Negatives gegen Uli Hoeneß sagen könne, sagte Scholl vor einigen Jahren, der früher beinahe mal bei seinem damaligen Manager eingezogen wäre. 

Gerd Müller, der nach seiner Karriere unter Alkoholproblemen litt, verhalf er zu einer Entziehungskur. Als Lars Lunde einen schweren Autounfall hatte und seine aktive Karriere beenden musste, zahlte der FC Bayern weiterhin sein Gehalt. Ähnlich lief es beim eigentlich aussortierten Alexander Zickler, der trotz schwerer Verletzung einen neuen Einjahresvertrag bekam. Hoeneß stellte Sammy Kuffour eine teure Chartermaschine, um schnellstmöglich zu seinem verstorbenen Kind nach Ghana zu reisen. Auch stand er stand zu Sebastian Deisler, als dieser sich wegen anhaltender Depressionen zu einem Karriereende entschloss. Als Frank Ribéry sich einer medialen Hetzkampagne ausgesetzt sah, war es "Uli 'Önes" der sich vor ihn stellte und ihn schützte. 
"So viel Menschlichkeit wie beim FC Bayern findet man anderswo im Profi-Fußball nicht." - M. Scholl
Auch wenn es um Benefizspiele geht, sind er und der FC Bayern immer ganz vorne dabei und helfen hoffnungslos überschuldeten Traditionsvereinen aus der Patsche. Als Der FC St. Pauli finanziell am Abgrund war, griff Hoeneß als "Retter" ein, ebenso bei Aachen und auch bei Borussia Dortmund. Den Schwarz-Gelben lieh der FC Bayern vor einigen Jahren zinslos zwei Millionen Euro. In den nächsten Monaten steht ein Testspiel gegen Hansa Rostock an. Die klammen Offenbacher Kickers haben bei den Münchnern für ein Benefizspiel angefragt. 
Doch auch fernab des Fußballs erwies sich der Manager als Herzensmensch. 1990 spielte sein Klub für die Opfer des S-Bahn-Unglücks von Rüsselsheim. 2002 ermöglichte Hoeneß eine Partie zu Gunsten der Opfer der Flutkatastrophe in Ostdeutschland. Ein Jahr später spielte der FC Bayern für die Stiftung des später an seiner unheilbaren Nervenkrankheit verstorbenen Wolfsburger Spieler Krzysztof Nowak. Er setzte sich nach dem Mord an Dominik Brunner für mehr Zivilcourage ein und hielt eine imposante Rede vor ausverkauftem Haus in der heimischen Arena. Er nannte Brunner ein "Vorbild für Zivilcourage und praktizierender Nächstenliebe". Kurz darauf übernahm er den Vorsitz des Kuratoriums der Dominik-Brunner-Stiftung. 

Bescheiden – und doch polarisierend

Geprahlt hat Hoeneß damit nie. Die Medienabteilung lehnt Anfragen zu solchen Themen ab. Und dennoch ist ein solches Vorgehen nie ganz uneigennützig, da die Medienlandschaft die Gönner natürlich ins gewünschte Licht setzt. Das weiß auch Uli Hoeneß. Kaum ein Mann im deutschen Fußballgeschäft polarisiert so sehr wie er. Er sitzt in Talk-Shows, schwingt den mahnenden Zeigefinger und spricht Klartext. Ein Moral-Apostel vor dem Herrn.

Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Bayern-Präsidenten wegen angeblicher Steuerhinterziehung. Summen zwischen 10 und unglaublichen 650 Millionen machen die Runde. Sollte Hoeneß wirklich vorsätzlich Steuern hinterzogen haben, ein Verbrechen, auf dem ab einer Summe von einer Millionen Euro eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung steht, wären all seine vorherigen sozialen Aktionen mit einem bitteren, gar heuchlerischen „Geschmäckle“ versehen.

Dennoch: Man mag ihm manchmal Größenwahn und Arroganz vorwerfen können, doch dürfen all die Kritiker, die jetzt wie die Ratten aus den Löchern gekrochen kommen, nicht vergessen, dass dieser Mann nicht nur ein exzellenter Macher – der FC Bayern ist dank ihm sportlich wie finanziell in der Weltspitze vertreten – sondern auch ein feiner und verdienter Mensch ist.