29. Juni 2012

Aus Gold wird Silber

2012. Es hätte ein perfektes Fußballjahr werden können. Die Bayern standen zum Jahreswechsel auf Platz eins der Bundesliga. Der Titel schien nach dem "besten Trainingslager aller Zeiten" nur noch Formsache. Die Mannen von Jupp Heynckes standen im DFB-Pokalfinale und sogar im "Finale dahoam". München schien das Epizentrum des europäischen Spitzenfußballs zu werden. Die DFB-Elf qualifizierte sich ohne Niederlage für die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine. Ohne Personalsorgen und in teilweise berauschender Form arbeiteten sich "Jogis Jungs" bis ins Halbfinale. Einer Neuauflage des Endspiels von 2008 gegen die Spanier stand eigentlich nichts mehr im Wege.
Doch alles kam anders.
Die Bayern verspielten die Tabellenführung, ließen sich gegen Dortmund düpieren und wurden nur Vizemeister. Auch Mitte Mai gab es eine Lehrstunde vom BVB: Im Pokalfinale schenkten Lewandowski und Konsorten den Münchnern fünf Tore ein. Am Ende stand eine 5:2-Niederlage. Das nächste große Finale am 19. Mai in der heimischen Arena gegen den FC Chelsea: Bis zur 83. Minute sahen die Roten wie der sichere Sieger aus. Doch dann kam Didier Drogba und zerstörte den Traum des Champions League-Titels. Dreimal Vize. Spieler wie Neuer, Schweinsteiger, Badstuber, Lahm und Müller schienen wegen dieser Niederlagen verstört. Besonders Schweinsteiger litt unter seinem verschossenen Elfmeter. Sind diese Jungs überhaupt in der Lage eine gute EM zu spielen? Sie waren es - zumindest bis zum Halbfinale. Nach einer hervorragenden Vorrunde in der sogenannten Todesgruppe und einem starken Spiel im Viertelfinale gegen Griechenland nun das bittere Aus gegen clevere Italiener, welche am kommenden Sonntag im Finale in Kiew auf Spanien treffen. Aus der Traum von wenigstens einem Titel.
Die letzte Durchschlagskraft, der ultimative Wille scheint nicht vorhanden zu sein.  Die "Goldene Generation" um Podolski, Lahm und Schweinsteiger läuft Gefahr zu einer silbernen zu werden. Bleibt zu hoffen, dass sich, unterstützt von den ganzen jungen Nachkömmlingen, eine gute Mischung für das Jahr 2013 und vor allem 2014 finden lässt, damit die Krönung vielleicht doch noch erfolgen kann - wenn auch verspätet.

"Wir kickten vom Sonnenauf- bis zum Sonnenuntergang"

Viktor Skripnik (43), ehemaliger Bundesligaspieler von Werder Bremen und Nationalspieler der Ukraine, wird in dieser kleinen Reihe Einblicke in sein Privatleben geben. Mal sprachen wir über seine Anfänge im Fußball, dann wiederum über die Fertigkeiten eines Fußballtrainers. Heute plaudert Skripnik über seine Anfänge mit dem runden Leder. Der "Beckham der Ukraine" äußert sich zudem zur Popularität des Fußballs in seiner Region, sprach mit uns über seine Vorbilder zu Jugendzeiten und schildert anfängliche Probleme in der Bundesrepublik.

Herr Skripnik, Anfang der Siebziger war der Eishockeysport in der Sowjetunion sehr populär. Die Nationalmannschaft feierte Erfolge am laufenden Band. Wie kam es, dass sie dem Eis fernblieben und lieber auf den Bolzplatz gingen?

Bei uns war in jeder Straße ein Platz, wo du im Sommer Fußball und im Winter natürlich Eishockey spielen konntest. Ich habe mich für Fußball entschieden, da ich keine Chance hatte in unserem kleinen Ort, wo kein Platz für Eishockey war, diesen Sport auszuüben. Hier spielten ungefähr 14 Spieler in meinem Alter. Wir kickten vom Sonnenauf- bis zum Sonnenuntergang. Das war unsere beste Zeit. Wenn ich Zuhause vorbeischaue, unterhalten wir uns auch heute noch über Fußball und über die Jahre, die wir damals zusammen verbrachten.

War ein Mitglied Ihrer Familie fußballbegeistert?

Mein Vater war ein riesiger Fußball-Fan. Dazu kam, dass meine Heimatstadt Dnipropetrowsk 1983 sowjetischer Meister wurde. Bei diesem Gewinn war ich mit meinem Vater im Stadion. Dies war eine unvergessliche Sache. Ich war fortan einfach begeistert von Fußball. Am liebsten wollte ich den Spielern so nah sein, wie die Balljungen, die den Ball immer wieder zurück schmissen. Ich war immer neidisch auf die kleinen Jungs am Spielfeldrand und fragte mich, was sie mit den Bällen tun, die sie nicht zurückwarfen. Ein Ball wurde kurz darauf das beste Geschenk was ich bis dato bekam. Er war lange auch das einzige Spielzeug bei mir Zuhause. Wie oft haben mein fünf Jahre jüngerer Bruder und ich damals Fenster und Lampen kaputt gemacht. Wir haben früher zusammen so viel Spaß gehabt, haben in der Straßenbahn gespielt oder sonst wo. Wir haben uns immer bewegt und uns keine Gedanken über die Zukunft gemacht. Wir genossen einfach den Fußball.

Wie populär war der Fußball insgesamt in Ihrer Region?

In Russland war das Eishockey von größerer Bedeutung, die Ukraine dagegen war nicht so aktiv in diesem Sport. Ich wurde in der SSR (Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik, Anm. d. Autors) geboren. Russland hatte mit Sibirien, wo meist Minusgrade vorhanden waren, mehr Möglichkeiten für Eishockey. Unsere Region war zentral in der Ukraine gelegen, wo der Winter zwar herrschte, aber nicht die Möglichkeiten, um Eishockey zu spielen. Deswegen war Fußball bei uns die Nummer Eins.

Gab es in Ihrer Jugendzeit Vorbilder als Sie angefangen haben, Fußball zu spielen?

Ja klar, Vorbilder gab es immer, zum Beispiel Oleg Blochin von Dynamo Kiew. Der Fußball in Westeuropa war auch sehr beeindruckend. Leider hatten wir kaum Chancen, die Spiele im Fernsehen zu verfolgen. Wenn doch, dann nur wenige Minuten, in der man zwei, drei Tore aus den europäischen Ligen, etwa aus der Bundesliga oder aus Italien, sehen konnte. Stattdessen bekamen wir immer die besten Mannschaften der Ukraine, wie Dynamo Kiew oder Dnipro Dnipropetrowsk vor Augen geführt.

Sie waren einer der ersten ukrainischen Fußballspieler in Deutschland. Warum fiel Ihre Wahl auf die Bundesrepublik? Und warum gerade auf Bremen?

Die Frage ist leicht zu beantworten. Damals, 1983, war ich mit meiner ehemaligen Mannschaft zwischen Hamburg und Bremen im Trainingslager. Ich sah einen riesigen Bus in den Farben Grün und Weiß. Es war der Bus von Werder Bremen. Ich als kleiner Mann aus Osteuropa, verliebte mich sofort in diese Farben und in diesen Namen. Hinzu kam, dass in der Saison 1987/88 Spartak Moskau gegen Bremen im UEFA-Pokal spielte. Spartak gewann 4:1 Zuhause, im Weserstadion verloren sie aber gegen Bremen 6:2. Mein Vater und ich schauten dieses Spiel an und ich war einfach nur begeistert, wie diese Mannschaft funktionierte. Ich wollte einfach echten Fußball sehen. Das war mein Traum, doch leider war die Grenze immer noch zu. Man konnte nicht einfach für sich selber entscheiden. Erst mit der Grenzöffnung und mit der Erlangung der Souveränität der Ukraine 1991, kamen internationale Trainer in meine Stadt. Einer dieser Männer war Bernd Stange, der ehemalige Trainer der DDR. Er empfahl mich an den damaligen Werder-Trainer Hans-Jürgen „Dixie“ Dörner, dem „Ost-Beckenbauer“, nicht wahr?

Manch einer bezeichnete ihn so. Vielleicht wegen seiner 100 Länderspiele und seiner zahlreichen Erfolge in der DDR.

Richtig. Ich ging nach Bremen zum Probetraining, musste aber erst wieder nach Hause, bis die Vereine die Ablöse ausgehandelt hatten. Ich hoffte immer dass der Transfer klappt. Nach einem halben Monat konnte ich dann wechseln.

Warum gefiel Ihnen gerade der deutsche Fußball so?

Ich wollte unbedingt nach Deutschland. Hier wird der Fußball gespielt, der meiner Philosophie entspricht. Mich faszinierten die Ordnung und die hohe Anzahl der Tore in der Bundesliga. Außerdem bin ich nicht so schnell, wie es etwa der Fußball in Spanien verlangte. Trotz den ersten schweren Jahren habe ich es geschafft und würde sagen, dass es gut für mich und für meine Familie war.

Sie sagten die ersten Jahre waren schwer. Mit welchen Problemen wurden Sie konfrontiert?

Ich war damals 26 Jahre alt, konnte nur einige Worte Deutsch. Doch im Fußball musst du nicht richtig quatschen können, du musst gut spielen. Sportlich lief es dann recht schnell, auch die Sprache verbesserte sich langsam. Die erfahrenen Spieler wie Dieter Eilts, Marco Bode, Oliver Reck oder Andi Herzog standen mir mit unterstützenden Worten und Ratschlägen zur Seite. Aber trotzdem war dies eine andere Welt, fast ein anderer Planet im Gegensatz zur Ukraine. Erst in Deutschland wurden mir die Unterschiede stark bewusst: Wie lebt ein Profifußballer in der Ukraine, wie lebt er in Deutschland?

Worin liegt genau der Unterschied?

In der Ukraine übernachtest du eine Nacht pro Woche Zuhause. Hier dagegen bist du vielleicht eine Nacht mal nicht Zuhause, also immer mit deinen Kindern zusammen. In Deutschland bekam ich erst richtig das Gefühl, Vater zu sein. Statt nur unterwegs in Trainingslagern, war ich nun bei meiner Familie. Selbstredend war aber auch das Fußballspiel eine Umstellung, darüber muss man sich nicht unterhalten. Auch von der Mentalität: Wenn es 0:2 steht, ist ein Spiel in der Ukraine oft gelaufen. In Deutschland geht es oft aber erst richtig los und am Ende gewinnt die andere Mannschaft vielleicht sogar noch 3:2. Der Fußball hier ist viel überraschender.

[Mitarbeit: Philipp Schaefer]

Auch erschienen bei 11Freunde und beim Osteuropakanal.

28. Juni 2012

Der Schmerz im Arsch eines Trainers

Vor dem heutigen Kracher gegen die Italiener im Halbfinale der Europameisterschaft ist besonders Mario Balotelli ins Blickfeld der Berichterstattung gerückt. Allerdings eher wegen seiner immer wieder vorkommenden Kuriositäten als seiner sportlichen Leistungen. José Mourinho, welcher Balotelli in seiner Zeit als Trainer bei Inter Mailand betreute, äußerte einst den treffenden Satz: "Balotelli hat unglaublich viel Talent, er könnte einer der besten Fußballer der Welt werden. Doch leider macht er manchmal den Eindruck, als verfüge er nur über eine einzige Gehirnzelle.“ Diesen Eindruck bestätigte der 21-Jährige in letzter Zeit  immer wieder. Mit seinem Bruder hatte Balotelli nichts besseres zu tun, als in ein Frauengefängnis einzubrechen. Als Balotelli noch die Schuhe für Inter Mailand schnürte, trat er einmal in einer italienischen Fernsehsendung mit dem Jersey des Stadtrivalen AC Mailand auf. Ein Streit mit den Anhängern der "Nerazzurri" entbrannte, bald darauf wurde er transferiert. Kurze Zeit später brannte er Feuerwerkskörper in seiner Küche in Manchester ab und sorgte damit für einen mittelschweren Hausbrand. Widerrum etwas später ignorierte das enfant terrible mit seinem Sportwagen jegliche Ampeln und Geschwindigkeitsbegrenzungen der Innenstadt Manchesters. Fazit: Ein Strafzettel in Höhe von  60 000 Euro. Als wäre das noch nicht genug, fiel "Super Mario" mit einem Anfall von Größenwahnsinn auf. Während einer Polizeikontrolle auf die 5000 Pfund in bar auf seinem Beifahrersitz angesprochen, antwortete er dem Polizisten nur: "Ich bin eben reich."
Genie und Wahnsinn liegen häufig nicht weit auseinander. Balotelli wird trotz seiner Eskapaden als eines der größten Talente im Weltfußball gehandelt. Auch ein Grund, warum Manchester City im Jahr 2010 sensationelle 30 Millionen Euro für die Dienste des Sohn ghanaischer Eltern auf das Konto von Inter Mailand überwies. Neben dem wieder erstarkten Andrea Pirlo wird die deutsche Mannschaft besonders Mario Balotelli im Auge behalten müssen. Das selbsternannte Genie könnte heute Abend den Unterschied ausmachen - sofern er den Rat seines derzeitigen Club-Trainers Roberto Mancini befolgt, "einfach nur Fußball zu spielen" und nicht der "Schmerz im Arsch deines Trainers" zu sein. Besser für Deutschland wäre es, wenn er sich mal wieder den Anweisungen seines Trainers widersetzt!

27. Juni 2012

Wird Mario Marios neuer Konkurrent?

Jeder Fachmann war sich sicher: Mario Mandzukic wechselt für eine knapp zweistellige Millionensumme zu Juventus Turin. Er selbst sagte vergangene Woche lediglich zu den Spekulationen, dass er bereits eine Entscheidung getroffen hätte, für welchen Verein er künftig die Stiefel schnürt. Seine Wahl fiel, wie gestern der Kicker publik machte, wohl auf den FC Bayern! Laut dem Fachblatt haben in den letzten Wochen intensive Verhandlungen zwischen dem VfL Wolfsburg und den Münchnern stattgefunden. Auch Mandzukic' derzeitiger Trainer Felix Magath äußerte sich gegenüber Sport1 vielversprechend zu einem möglichen Transfer: "Ich habe zuletzt viele Anrufe erhalten. Und ich habe zuletzt auch Anrufe erhalten, wo ich die Stimme sofort erkannt habe." Magath, der zwischen 2004 und Januar 2007 selbst auf der Trainerbank der Münchner saß, hält einen Wechsel seines Noch-Mittelstürmers für durchaus realistisch: "Wer bei der EURO so aufgetrumpft hat, der kann sich auch in der Europa League und in der Champions League behaupten - und auch beim FC Bayern München." In drei Vorrundenspielen bei der angesprochenen Europameisterschaft erzielte Mario Mandzukic drei sehenswerte Tore. Er soll in München bis zu 3,5 Millionen Euro verdienen und einen Dreijahres-Vertrag mit Option für eine weitere Spielzeit erhalten. Als Ablöse für den kroatischen Nationalspieler, dem ein zerrüttetes Verhältnis mit Magath nachgesagt wird, stehen 15 Millionen Euro im Raum.
Eine Verpflichtung des 26-Jährigen würde zugleich der langanhaltenden Diskussion um einen Transfer des ManCity-Stürmers Edin Dzeko ein Ende setzen. Dzeko, der in Manchester noch ein Arbeitspapier bis 2015 besitzt, bekäme erst bei einer Ablösezahlung von 40 Millionen Euro die Freigabe. Eine Summe, die der FC Bayern zurecht nicht zu zahlen bereit ist. Stattdessen gehen die Münchner wohl, sofern Nils Petersen nach Bremen ausgeliehen wird, mit einer Dreier-Angriffs-Konstellation - bestehend aus Mario Gomez, Claudio Pizarro und Mario Mandzukic - in die neue Saison.

Nicht jeder Trainer im europäischen Spitzenfußball kann sich über eine solch gut bestückte Angriffsreihe freuen!

26. Juni 2012

Stammtischinfos für jedermann [Reklame]

Pünktlich vor dem Start der Halbfinalspiele der Europameisterschaft gibt es für alle Wissbegierige und Freunde des nützlichen (oder unnützen) Wissens eine Grafik mit interessanten Informationen zum laufenden Turnier. Wer trägt den beliebtesten Schuh? Bei welcher Spielminute verpasst man beim Bierholen sicher kein Tor? Und wieviel Prozent des Ticketkontingent geht an Sponsoren? Antworten auf all diese Fragen findet ihr in dieser liebevoll gestalteten Grafik.


zur Verfügung gestellt von: Zalando.de/sports

Der neue Spielplan ist raus!

Heute veröffentlichte die Deutsche Fußball Liga (DFL) den Spielplan für die kommende Bundesliga-Saison. Die 50. Spielzeit beginnt am 24. August mit dem Spiel des Deutschen Meisters Borussia Dortmund gegen Werder Bremen. Beide Teams bestritten bereits vor 49 Jahren die erste Begegnung der neugegründeten Liga. Der Dortmunder Timo Konietzka schoss an diesem Tage nach 58 Sekunden das erste Tor der Bundesliga-Historie. Die Bayern greifen am Samstag das erste Mal ins Spielgeschehen ein und empfangen Liganeuling Greuther Fürth. Anfang Dezember kommt es zum großen Showdown, wenn sich Borussia Dortmund und der FC Bayern gegenüber stehen. Vielleicht schaffen die Münchner spätestens dann den ersten Sieg nach vier sieglosen Liga-Spielen in Folge über die Mannschaft von Jürgen Klopp.

Den kompletten Spielplan der neuen Runde könnt ihr hier herunterladen.

25. Juni 2012

"Penalty-Trauma" und Revanchegelüste

Der Elfmeterfluch der Engländer und kein Ende: Es hagelte beim gestrigen Ausscheiden gegen die Italiener innerhalb von 22 Jahren die sechste Schlappe im siebsten Duell vom Punkt. Das "Penalty-Trauma" (Zitat Hodgson) hält weiterhin an und das, obwohl im Vorfeld reichlich Sonderübungseinheiten auf dem Programm standen. Doch lassen lediglich zwei verwandelte Strafstöße auf eine zu große nervliche Anspannung schließen. Die Italiener hingegen machten es gestern vom Kreidepunkt besser. Statt den verschießenden Ashleys hat Cesare Prandelli allerdings auch gefestigtere Schützen in seinen Reihen. Beispielsweise Andrea Pirlo, der im Stile eines Panenka den Ball in die Maschen lupfte oder der sonst leicht zur Raserei bringende Mario Balottelli, der souverän einnetzte. Am kommenden Donnerstag kommt es also im Viertelfinale zum Duell gegen die Deutschen. Für diese Begegnung bedarf es für Jogis Jungs sicherlich keinerlei Motivation mehr. Zu groß ist der Wille, Revanche für die unsägliche Pleite im Halbfinale der Weltmeisterschaft 2006 zu nehmen, als uns Grosso und del Piero den Traum vom Sommermärchen nahmen. 
Mit den Engländern kann man, sofern etwas mitfühlend, wegen ihres Elfer-Leidens beinahe Mitleid haben. Ebenso für die Italiener: Allerdings nicht, da sie eine marode Liga, voller Wettskandale besitzen, sondern vielmehr, weil für sie im Halbfinale das Turnier beendet sein wird!


24. Juni 2012

Von Hupen und Klingeln

Ich freue mich wirklich sehr über Siege meiner Mannschaft. Besonders, wenn sie so eindeutig und schön waren, wie das 4:2 im Viertelfinale der Europameisterschaft gegen Griechenland. Das deutsche Team spielte phasenweise tollen Fußball. Die Tore von Lahm, Khedira, Klose und Reus waren wirklich sehenswert. Die Spieler feiern sich in der Kurve und lassen sich beklatschen. Fernab des Platzes in Deutschland, geht dann die Party in Deutschland erst richtig los: Ein schier unendlicher Autokorso durchpflügt die Straßenschluchten. In manchen Öko-Studentenstädten treibt es gar die Fahrradfahrer auf den Asphalt, welche ein Klingelkonzert anstimmen. Es wird gehupt und gebimmelt bis zum geht nicht mehr. Und das schon seit dem ersten Sieg in der Vorrunde gegen Portugal. Ich bin in einer Fußballgeneration groß geworden, in der erst nach der Gruppenphase, sprich von K.O.-Sieg zu K.O.-Sieg, gehupt wurde. Es war schlicht selbstverständlich, dass die Nationalelf die Vorrunde übersteht. Doch hat sich - nach den Traumata von 2000 und 2004, spätestens aber seit der Heim-WM 2006 - der Trend des Dauerfeierns etabliert. Daher arrangiere ich mich auch mit den Trötgeräuschen vor meinem Fenster. Doch irgendwann müsste doch auch mal das beste Horn seinen Geist aufgeben!
Vielleicht ändere ich meine Meinung ja spätestens dann, wenn am 1. Juli, ab ca. 22.30 Uhr, wieder vor meinem Fenster gelärmt wird. Erstens bin ich dann mitten drin statt nur dabei. Zweitens hieße dies: Wir sind Europameister. Eine Tatsache, für die ich das Grölen, Hupen und Klingeln sehr, sehr gerne in Kauf nehme!

23. Juni 2012

2. Liga statt Dorfverein

Erste Runde im DFB-Pokal: Oftmals heißt dies, dass man gegen den FSV Eintracht 1910 Königs Wusterhausen, dem FC Herrischried oder der Itzehoer SV antreten muss. Heute wurde die erste Runde des Pokals ausgelost. Losfee war Viola Odebrecht, Kickerin in Diensten von Turbine Potsdam. Die Bayern treffen im kleinen Bayern-Derby auf Jahn Regensburg. Die Aufsteiger in die 2. Bundesliga sollen zwischen dem 17. und 20. August der erste Prüfstein sein, um sich für das Pokalfinale am 1. Juni 2013 im Berliner Olympiastadion zu qualifizieren.

22. Juni 2012

χτίζω

Glaubt man den Worten von Angelos Charisteas, kann das heutige Viertelfinalspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die griechische Auswahl nur ein maroder, eintöniger und einseitiger Kick werden. "Euro-Harry", wie der Europameister von 2004 liebevoll genannt wird, glaubt, dass die Griechen "von der ersten bis zur 90. Minute verteidigen" werden. Als Vorbild nennt er die Betonmischer vom FC Chelsea, die sich mit einer solchen Taktik zum Champions League-Titel gemauert haben. Bei diesen, so der 32-Jährige, hätte man gesehen, dass man mit einer reinen Defensiv-Taktik erfolgreich sein kann. "Die Mannschaft", also seine Griechen, könnten "kämpfen, kratzen, beißen", was sie auch "gegen Deutschland machen" werden. Hoffen wir, das Jogi Löw einige Presslufthammer präsentiert, um die griechischen Mauern durchdringen zu können. Vielleicht wäre heute der Zeitpunkt gekommen, eine Änderung der Startelf vorzunehmen, um dieses Unterfangen erfolgreich zu bestreiten und ins Halbfinale der Europameisterschaft einzuziehen. Statt Podolski könnte Reus in der Startelf stehen und die Griechen mit Tempodribblings schwindelig spielen. Auch wäre Mario Götze eine Alternative für die rechte Offensivposition: Der Dortmunder ist aber nach seiner Verletztung noch nicht wieder in alter Form. Im Sturm könnte Miroslav Klose für mehr Flexibilität sorgen, sich ins Mittelfeld fallen lassen und immer wieder mit Marco Reus die Position tauschen. Wie auch immer: Die Griechen, welche sich seit Tagen intensiv auf ein Elfmeterschießen vorbereiten, müssten zu knacken sein - doch wird es eine enorme Geduldsprobe für die Mannen von Joachim Löw werden.

χτίζω bedeutet übrigens auf griechisch "mauern". Dieses Verb wird wohl in der Kabinenansprache des griechischen Nationalcoaches Santos nie mehr so oft Verwendung finden, wie heute Abend. 

"Ich verzichte auf VIP-Karten"

Viktor Skripnik (43), ehemaliger Bundesligaspieler von Werder Bremen und Nationalspieler der Ukraine, wird in dieser kleinen Reihe Einblicke in sein Privatleben geben. Mal sprechen wir über seine Anfänge im Fußball, dann wiederum über die Fertigkeiten eines Fußballtrainers. Das Thema heute ist die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine. Der "Beckham der Ukraine" äußert sich  zu den Chancen der ukrainischen Elf, den politischen Debatten im Vorfeld und den Folgen des Turniers für sein Heimatland.

Kommendes Wochenende startet die Europameisterschaft. Hier wird der Druck auf die Nationalmannschaft sehr hoch sein. Glauben Sie, dass das Team die Erwartungen erfüllen kann? Oder zerbricht es am hohen Erfolgsdruck?

In den eigenen Städten und Stadien vor den heimischen Fans zu spielen kann zu einer hohen Erwartungshaltung führen. Vielleicht ist es ein Bonus für dich, da die Zuschauer hinter dir stehen, vielleicht aber auch ein Druck. Aber ich glaube, wir haben eine richtige Mischung: Alte Leute wie Woronin, Schewtschenko oder Timoschtschuk, die schon öfter mit heißem Herz aber kühlem Kopf gespielt haben, und auch junge, talentierte Leute, von denen ich glaube, dass sie bereits im Blickfeld von einigen Mannschaften aus Westeuropa sind. Hinzu kommt der langjährige Trainerstab, der weiß wo es lang geht und Erfahrung durch die WM 2006 in Deutschland hat.

In letzter Zeit wurden beinahe nur negative Schlagzeilen über die Ukraine in den Medien gelesen. Es begann mit der angeblichen Tierquälerei, der bewussten Tötung von streunenden Hunden. Nun dominierten die Diskussionen um die Haftbedingungen Julia Timoschenkos den Politikteil in jeder Zeitung. Vielleicht werden gar einige Politiker das Turnier boykottieren. Glauben Sie, diese Ereignisse könnten die sportlichen Erfolge schmälern und die Vorfreude auf das Turnier trüben?

Ich bin der Meinung, Politik und Sport darf nicht eng verbunden sein. Ich glaube, es ist die falsche Richtung, wenn Menschen nicht zu einem Sportevent, einer Welt- oder Europameisterschaft fahren, weil ein Land sich so verhält. Doch muss man auch die anderen Meinungen akzeptieren. Einen Boykott muss man nicht zwingend durch einen Nichtbesuch zeigen. Ich beispielsweise boykottiere auch auf meine Art: Ich verzichte auf VIP-Karten, kaufe mir stattdessen die einfachen Tickets und sitze in irgendeinem Eck des Stadions.

Denken Sie, die Europameisterschaft hinterlässt nachhaltige Spuren oder löst vielleicht einen Boom im Lande aus, ähnlich wie in Deutschland 2006?

Ich hoffe, dass dies passiert. Nicht nur die Infrastruktur soll sich verbessern, sondern auch das Ansehen in Europa. Die Besucher sollen die Ukraine als ein Land mit netten Leuten in Erinnerung behalten. Wir sind ein junger Staat, gerade einmal zwanzig Jahre alt. Das wir ein so großes Turnier ausrichten können, ist sehr toll. Denn hierzu gehört nicht nur der Bau von Stadien, sondern auch von Hotels, Straßen usw. Diese Entwicklung ist schon faszinierend. Die EM stellt für uns eine riesige Chance dar uns zu präsentieren. Ich hoffe, ein Boom tritt ein und hält lange an, sodass die Zuschauer weiter in die Stadien strömen oder mehr Kinder zum Fußball gehen.

Theoretisch könnte Deutschland im Halbfinale auf die Ukraine treffen. Für welche Auswahl würden Sie die Daumen drücken?

Schade für Deutschland, ich bin Ukrainer (lacht). Ich bin natürlich für mein Land. Doch müssen wir realistisch sein, auch wenn es immer wieder Überraschungen gab, wie damals Dänemark oder Griechenland. Ich hoffe, dass auch meinem Land so etwas gelingen kann. Das letzte Champions League-Finale hat dies ja beispielsweise auch gezeigt: Jeder dachte, Barcelona spielt im Finale gegen Real Madrid. Am Ende waren es dann doch Bayern und Chelsea. Wichtig ist, dass sich die Mannschaft stets aufs Neue beweist und sich quält. Dann bin ich fest davon überzeugt, dass uns eine Überraschung gelingen kann.

Herr Skripnik, wer wird am 1. Juli im Olympiastadion Kiew den Pokal in den Händen halten?

Das ist eine schwere Frage! Ich versuche diplomatisch zu antworten: Es gibt fünf, sechs Mannschaften im Favoritenkreis. Am Ende werden die Mannschaften im Finale stehen, die stets in Topform auftreten, ohne Verletzungen sowie Sperren auskommen und mental am stärksten sind. Ich bin natürlich für mein Land. Wenn wir aber ausscheiden sollten, drücke ich natürlich Deutschland die Daumen!

[Bild: Tobias Ilg, Mitarbeit: Philipp Schaefer]

Auch erschienen bei 11Freunde und beim Osteuropakanal.

21. Juni 2012

Mit einem Schmunzeln...

...sollte dieser seichte Cartoon, sicherlich gestaltet von einem Nicht-Bayern-Anhänger, gesehen werden. Ohne Titel blieben die Bayern nun das zweite Jahr hintereinander. Was für andere Vereine ein feierlicher Zustand wäre, bedeutet für die Münchner meist einen halben Weltuntergang. Das letzte Mal gingen 1995 und 1996 Titel an einen anderen Verein, damals war der Kontrahent auch Borussia Dortmund. Danach jedoch folgte die Meisterschaft sowie die Grundsteinlegung für eine erfolgreiche Zukunft. Typen wurden verpflichtet, Führungsspielern gelang endgültig der Durchbruch und der richtige Trainer fand - ein Jahr später - dann auch den Weg in die bayrische Landeshauptstadt. Vielleicht wiederholt sich Geschichte: Die richtigen Spieler werden verpflichtet (Shaqiri, Dante, Pizarro, vielleicht gar Martinez?), Führungsspielern gelingt der endgültige Durchbruch auf dem Weltklasse-Niveau bzw. einem Sieg in einem internationalen Finale (Schweinsteiger, Lahm, Gomez) und der richtige Trainer findet, dann, im Jahr 2013, auch nach München: "Pep" Guardiola. Schau'n mer mal!


20. Juni 2012

Das Ende der Kommentatoren-Diktatur

Wer schon immer mal das Bedürfnis hatte, Marcel Reif, Fritz von Thurn und Taxis oder Béla Réthy den Ton abzudrehen, aber dann doch nicht ganz auf einen Kommentator verzichten kann, sollte sich dringend diese Homepage zu Gemüte führen. Aus Frust über Kommentare, wie etwa "Gespielt wird jetzt offener, weil die Kroaten aufmachen" (Réthy) oder "Je länger das Spiel dauert, desto weniger Zeit bleibt" (Reif) fühlten sich eine Hand voll Fußballverrückter gezwungen, eine Plattform zu erstellen, die es jedem möglich macht, frei empfangbare Spiele selbst zu kommentieren oder sich von einem der Laien-Kommentatoren verbal begleiten zu lassen. Egal ob Begleitungen in tiefstem bayrisch, auf Plattdütsch, mit satirischem Unterton oder mit Fakten und Stammtischwissen gespickt: Auf marcel-ist-reif.de werdet ihr sicherlich fündig. Die Kommentatoren-Diktatur ist somit beendet. Es lebe die Fußballkommentatoren-Demokratie!

19. Juni 2012

Vortrag über Homophobie im Fußball

Immer wieder hört man von Homophobie im Fußball. Egal ob auf den Bolzplätzen der Kreisliga oder in den Eliteligen des Landes. Die schwulen- und lesbenfeindlichen Äußerungen führen dazu, dass sich eine Vielzahl homosexueller Spieler nicht outen und somit gezwungen sind, ein Doppelleben zu führen. Manch einer nimmt dies auf sich, manch einer zerbricht daran. Neben der bekannten Kampagne Aktion Libero nehmen sich auch immer mehr Universitäten bzw. deren studentische Vertreter dieser Thematik an. Am morgigen Mittwoch kann jeder Interessierte der renommierten Gender-Forscherin Prof. Dr. Nina Degele bei einem Vortrag über Sexismus und Homophobie im Fußball zuhören. Sie doziert an der Uni Freiburg, Beginn ist um 18 Uhr. Sorgen, dass ihr eine Partie der Euro verpasst, müsst ihr übrigens nicht haben - es ist nämlich spielfrei!


[Bild: Tobias Ilg]

Mit mehr Pep(p) zu Titeln?

Bereits vor einigen Wochen machte ein unglaublich großer Name als Nachfolger für Jupp Heynckes in München die Runde: Pep Guardiola. Über den Spanier sagte Uli Hoeneß damals, dass er eine mögliche Option für den Trainerposten ab 2013 wäre - sofern er denn Deutsch sprechen würde. Heute kamen Gerüchte auf, Sportdirektor Christian Nerlinger hätte sich mit dem Berater Guardiolas in Bilbao über ein eventuelles Engagement unterhalten. "Pep" sei nicht abgeneigt und könnte sich eine Tätigkeit als Bayern-Trainer durchaus vorstellen. Angeblich schlug er deshalb auch eine Millionen-Offerte vom FC Chelsea aus.
Nicht nur das Kürzel "FCB" verbindet die beiden Klubs: Wie in Barcelona träfe Guardiola auf einen mit Top-Spielern gespickten Kader. Allen voran die international anerkannten Akteure Bastian Schweinsteiger, Phillip Lahm, Manuel Neuer und Franck Ribéry. Auch die Trainingsbedingungen in München stehen denen in der katalonischen Metropole in nichts nach. Tradition, eine imposante Historie und begeisterungsfähige Fans in einer tollen Arena in einer noch hübscheren Stadt sind ebenso vorhanden. Gut, auf das Meer und den Strand müsste er verzichten. Ebenso auf den Parque Güell - doch ist nicht der Englische Garten sowieso viel schöner? Durch die Umstrukturierung und Modifizierung des Jugendbereichs könnte Guardiola seinem liebsten Hobby frönen und Talente fördern. Sollte er stattdessen lieber gezielt Spitzenspieler verpflichten wollen, wäre dies auch kein Problem: Geld ist vorhanden. Vieles spricht für eine Tätigkeit als Bayern-Trainer, doch wäre diese frühestens 2013 möglich. Nach vier Jahren als Übungsleiter des FC Barcelona entschloss sich der 41-Jährige zu einem Sabbatjahr. Er müsse nach vier anstrengenden Jahren in Katalonien, zu neuen Kräften kommen. Hierfür dürfte ein Jahr genügen - ebenso, um sich, wie von Hoeneß gewünscht, einen deutschen Sprachwortschatz anzueignen.

15. Juni 2012

Lässig, lässiger, Löw

Die Leistungen gegen die Holländer am vergangenen Mittwoch brachten unseren Bundestrainer Jogi Löw zum Tanzen: Rhythmisch und mit elegantem Hüftschwung zelebrierte er die zwei Tore von Mario Gomez. Kein Flamenco-Tänzer der Welt hätte es besser machen können. Über Jahre hinweg würde er den Tanz-Schrott-Wettbewerb Let's Dance bei RTL gewinnen. Doch nicht nur aufgrund dieser Einlage merkte man, wie gut "der Jogi" eigentlich drauf war: Während des Spiels, so schien es, hatte der deutsche Bundestrainer die Lockerheit, einem Balljungen das Ersatzspielgerät aus den Armen zu stupsen und dieses danach lässig mit der Hacke - und einem süffisanten Lächeln - zurückzuspielen. Doch wie die UEFA nun bestätigte, geschah diese Szene im Vorfeld des Spiels und nicht, wie angenommen, live in der 22. Minute der laufenden Partie. Zu diesem Zeitpunkt wurde sie lediglich von der Regie des ukrainischen Fernsehens eingespielt. Sei's drum. Gefeiert wird Löw aufgrund dieser Aktion trotzdem - vielleicht aber bald auch aus einem anderen Grund: Nämlich dann, wenn er sich genauso gekonnt an Vicente del Bosque heranpirscht und dem Übungsleiter der favorisierten Spanier den sicher geglaubten Europameister-Pokal aus den Händen stibitzt!

14. Juni 2012

Die Folgen der Scholl'schen Motivation

Dass Mehmet Scholl so ein guter Motivator ist, hätte wohl kaum einer gedacht. Nach dem Auftaktsieg gegen die Portugiesen und der extrem ausgeprägten Fürsorge für Mario Gomez ("Ich hatte zwischendrin Angst, dass er sich wund gelegen hat, dass man ihn wenden muss."), folgte eine grandiose Antwort des Mittelstürmers gegen die Niederlande. Gomez netzte zweimal bravurös ein. Dem ersten Tor ging ein Zuckerpass von Bastian Schweinsteiger voraus, Gomez drehte sich in bester Eiskunstlauf-Pirouetten-Manier um den Gegner und schob ein. Auch beim 2:0 fungierte Schweinsteiger als Vorlagengeber. Diesmal verzichtete der angespielte Gomez allerdings auf Methoden einer anderen Sportart und knallte den Ball schlicht in die lange Ecke. Der 26-Jährige führt nun mit drei Treffern in zwei Spielen, gemeinsam mit dem Russen Alan Dzagoev, die Torschützenliste an. Ob es an der Kritik des Freizeitmoderators und Hobbykeglers Scholl lag? Man wird es nie herausfinden. Jedoch traf der zukünftige Bayern II-Trainer mit dieser Aussage im Vorfeld, mag sie noch so unfein gewesen sein, alle Neune. Bleibt nun die Frage, wen sich Mehmet Scholl als nächstes für seine Kritik ausguckt - Müller, Podolski, Özil? Allesamt könnten eine Scholl'sche Leistungssteigerungsmaßnahme gut gebrauchen. Überzeugte doch die Dreier-Offensivreihe am wenigsten gegen Holland. Jedoch gelang es den Mannen von Joachim Löw trotzdem gegen Oranje zu bestehen. Auch, weil ein Bastian Schweinsteiger immer mehr seine Bestform erreicht oder ein Sami Khedira für eine unglaubliche Stabilität im defensiven Mittelfeld sorgt. Ebenso war auf die Innenverteidigung bei der gestrigen Partie wieder  einmal verlass: Robben, Sneijder, Afellay, Huntelaar und van Persie machten - bis zum Ausgleich des Arsenal-Stürmers - keinen Stich. Holger Badstuber und Mats Hummels mausern sich immer mehr zum neuen Traumpaar auf der zentralen Verteidigungsposition. Jogis Jungs nehmen, je länger das Turnier andauert, immer mehr an Qualität zu. Zurecht steht die deutsche Nationalelf unmittelbar vor dem Einzug ins Viertelfinale der Europameisterschaft. Gegen die Dänen am kommenden Sonntag reicht bereits ein Punkt, um das Erreichen der K.O.-Runde perfekt zu machen. Das sollte gelingen.

12. Juni 2012

Die etwas andere Teampräsentation

Der erste Spieltag der Gruppenphase ist rum. Jeder wahre Fan und pseudointeressierte Fähnchenschwinger konnte sich nun ein Bild von den verschiedenen teilnehmenden Nationalmannschaften machen. Manche finden nun die Ukrainer ganz toll, mögen die Russen lieber oder sind ab sofort Fans vom irischen Auswahlspieler Sean St. Andrews. Wer jedoch einen ganz speziellen Blick auf die Historie aller Teams und Länder haben möchte, kommt um diese britischen Videos nicht herum.


[Screenshot: Video "Animated History", The Guardian.co.uk]

11. Juni 2012

Antike versus Zukunft

Welch' gutes Spiel sah man gestern zwischen Spanien und Italien! Die gestrige Partie firmiert zurecht als bestes Spiel der bisherigen (noch jungen) Europameisterschaft. Die Vorzeichen standen jedoch gar nicht so gut: Ließen doch die Aufstellungen eher ein Duell von Moderne gegen Antike vermuten. Trainer Prandelli ließ im variablen 3-5-2 auflaufen und exhumierte zum Erschrecken mancher Virtuosen den Libero. Die Außen im Mittelfeld ließen sich zudem geschickt fallen, sobald die Spanier ihr Offensivspiel aufzogen. Doch kann man, so eine allgemeine These des Stammtischgefachsimpels, nur gegen die Spanier mithalten, wenn man auch mitspielt - und das taten die Mannen um Buffon und Co glänzend. Allen voran Andrea Pirlo im Mittelfeld nutzte seine Freiheiten gekonnt aus, um immer mal wieder einen haargenauen Pass aus dem Fußgelenk zu schlagen. Auch Marchisio und Giovinco machten eine gute Partie. Einzig Mario Balotelli, das enfant terrible der italienischen Auswahl, fiel lediglich durch eine sensationelle Rettung des Balles mit der Hacke und durch eine verschnarchte Chance, als er alleine auf Casillas zu lief, auf. Anders als die Squadra Azzurra ließ Vicente del Bosque seine Mannen im derzeit wohl innovativsten Spielsystem auf den Rasen. Im Stile des barcelonesischen "Tiki-Taki" begannen die Spanier in einem flexiblen 4-3-3 ohne echte Sturmspitze. Der spätere Torschütze Fábregas  stieß immer wieder gefährlich ins Sturmzentrum, ließ sich aber genauso oft auch zurückfallen, um den offensiven Außen Iniesta und Silva Freiräume zu schaffen. Im defensiven Mittelfeld zog Xavi die Fäden und ließ sich von Sergio Busquets den Rücken frei halten. Trotz diesen Bedenken im Vorfeld wurde die Begegnung zu einer hochklassigen. Sämtliche Verfechter des traumhaften Passes kamen auf ihre Kosten. So schnibbelte Andrea Pirlo einen unglaublichen Ball zu di Natale, der eiskalt zum 1:0 einnetzte. Aber auch die Spanier ließen sich nicht lumpen und zeigten ebenfalls, dass sie zurecht als Anwärter auf den Titel gelten. Eine schöne Kombination, garniert von einem Zuckerpass von David Silva und gekrönt durch ein tolles Tor von Fábregas sorgte für den verdienten 1:1-Ausgleichstreffer. Doch auch die Spanier hatten ihre Graupe auf dem Platz: Fernando Torres. Was der wohl - im Preis-Leistungs-Verhältnis gesehen - schlechteste Spieler aller Zeiten ablieferte, war einer EM-Teilnahme nicht würdig. Doch von ihm werden die Spanier nicht abhängig sein: Entweder sie laufen gar ohne Spitze auf oder werfen einfach einen Llorente, Pedro oder Negredo ins Spiel.
Das gestrige #Espita (So lautete der - Achtung, Nerd-Sprache! - Hash-Tag des Spitzenspiels beim kommunikationsfreudigen ZDF): Es war ein tolles Duell zweier Mannschaften mit grundverschiedenen Spielsystemen. Trotz dieses Unentschiedens und dem gleichzeitigen Sieg der Kroaten gegen die Iren werden wohl beide Teams ins Viertelfinale der Euro einziehen. Die einen mit antiken, die anderen mit futuristischen Mitteln - alles andere wäre eine Überraschung. 

Auch erschienen auf SPOX.

10. Juni 2012

Die Emanzipation des Mario G.

Ein jeder ist derzeit im Deutschland-Gewand gekleidet. Rückennummern von Schweinsteiger über Podolski bis hin zu Müller sind in den Menschenmassen zu entdecken. Nur von einem wird kaum das Trikot gekauft: von Mario Gomez. Trotz einer bärenstarken Saison mit 26 Toren in der Bundesliga und zwölf Buden in der Champions League wird der Münchner Mittelstürmer nach wie vor größtenteils belächelt. Ein labiler Stümperer sei er oder nur ein nichtsnutziger Abstauber. "Die Tore die Gomez macht, hätte ich auch noch hingekriegt", heißt es bei beinahe jeder Diskussion über den 26-Jährigen. Gestern aber, beim 1:0-Sieg der Deutschen über Portugal im ersten Vorrundenspiel der Europameisterschaft, unterstrich Gomez, warum es von Bundestrainer Joachim Löw richtig war, auf ihn zu setzen und nicht auf Miroslav Klose. In einem wenig berauschenden Auftritt der deutschen Offensive stach eben nur jener Gomez heraus und markierte mit einem wunderbaren Kopfball - nach Flanke des starken Sami Khedira - das entscheidende 1:0. Nach seiner Auswechslung feierten ihn die Zuschauer mit Standing Ovations, die BILD machte schleunigst aus dem früheren "Versager" einen "Tor-Held" und "Giganten". Vielleicht ist ihm mit diesem so wichtigen Tor nun endgültig der Sprung aus dem Schatten Miroslav Kloses gelungen.
Festzuhalten bleibt nach dem Arbeitssieg gegen Portugal auch die bravuröse Leistung der im Vorfeld viel gescholtenen Defensive. Gomez' Vereinskameraden Holger Badstuber, Manuel Neuer und Jérôme Boateng sowie der Dortmunder Mats Hummels erwischten gestern allesamt einen Sahnetag. Ihnen (und zweimal dem Aluminium) ist es zu verdanken, dass die portugiesischen Angreifer um Cristiano Ronaldo keinen Stich machten. Negativ dagegen fielen die Außenspieler Müller und Podolski auf: zu wenig kam über ihre Seiten. Auch von Schweinsteiger, Lahm und Özil muss eine Leistungssteigerung erfolgen, sonst wird es kommenden Mittwoch schwer, gegen die nach der 0:1-Niederlage gegen Dänemark unter Zugzwang stehenden Niederländer zu bestehen.

9. Juni 2012

Auferstanden von den Toten!

Das Orakel lebt! Krake Paul zieht wieder gefürchtet seine Kreise und prophezeit die Sieger der Europa-meisterschaft - wenn auch nur im Internet.


Für heute Abend ist das Meerestier übrigens sehr optimistisch!

[Bild: Screenshot elpulpopaul.com.ar]

Gina-Lisa als Bundestrainerin?

Heute Abend geht es los: Die deutsche Fußball-Nationalelf trifft im ersten EM-Vorrundenspiel auf Portugal. Die große Frage: Wer stoppt Cristiano Ronaldo? Die portugiesische Truppe ist gespickt mit tollen Spielern, etwa Nani, Meireles oder Pepe. Doch ist das ganze Spiel auf den Star-Angreifer von Real Madrid zugeschnitten. Mit allen Freiheiten ausgestattet, wird ein Kettenhund von Nöten sein, um Cristiano Ronaldos Offensivspiel bestmöglich einzugrenzen. Vielleicht erfüllt diese Aufgabe am besten Philipp Lahm, ähnlich wie im Champions League-Duell der Bayern gegen die "Königlichen". Allerdings nur, wenn Ronaldo über rechts attackiert. Kommt er über die Mitte, trifft es wohl Holger Badstuber. Souverän und abgeklärt, könnte er sich der Verteidigung annehmen. Oder aber, und das ist ziemlich wahrscheinlich, greift Ronaldo über die linke Seite an. Hier läge es an Jérôme Boateng, der trotz der "Gina-Lisa-Affäre" den Vorzug vor dem international unerfahrenden Bender bekommen sollte. Gina-Lisa? 
Das blonde Modell könnte tatsächlich den entscheidenen Ausschlag geben, wer heute Abend auf der rechten Außenverteidigerposition spielt. Boateng traf sich angeblich unter anderem mit der 25-Jährigen an einem freien Tag während der EM-Vorbereitungin einer Hotel-Lobby. Wenn Bundestrainerin Lohfink wirklich so viel Einfluss hätte, stünde dann nicht Loona statt Hansi Flick als Co-Trainerin neben ihr? Oder würde dann nicht ihr aktueller Toy-Boy und "Rapper" Kay-One auf der Zehn die Fäden ziehen und Schmusebarde und Pseudo-Rocker Marc Terenzi im Sturmzentrum die Bälle versenken? Himmel hilf! Die Schnelligkeit Boatengs und seine resolute Art zu verteidigen, könnten ab 20.45 Uhr in Lemberg genau die richtigen Mittel sein, um den 50-Tore-Mann aus Portugal zu stoppen. Schau' mer mal, wie sich Joachim Löw entscheidet.

8. Juni 2012

Roy solls richten

Die Vorzeichen für das englische Team für eine erfolgreiche Europameisterschaft könnten besser stehen: Der Rassismusskandal im Vorfeld und die daraus resultierenden Nichtnominierung Rio Ferdinands, die Sperre von Wayne Rooney für die ersten zwei Partien sowie die Verletzungen von Lampard, Cahill, Barry, Smalling, Bent und Wilshere. Das Team ist nur noch eine Resterampe. Daher sollen die Spieler nun anders beflügelt werden: Mit einer riesigen Statue von Trainer Roy Hodgson! Dieses acht Tonnen schwere und 30 Meter hohe Konstrukt steht neuerdings an den "White Cliffs" in Dover - und ist angeblich noch von der französischen Küste aus zu erkennen. Gebaut wurde das Abbild des Three Lions-Coaches von einem englischen Wettanbieter. 

Die Statue trägt übrigens den Titel: Roy the Redeemer. Ob dieser nun die Engländer von der titellosen Zeit oder den neutralen Fan vom englischen Gekicke erlösen soll, ist übrigens nicht überliefert.

7. Juni 2012

Träume sind Schäume

Soso. Jose Mourinho möchte sich also seinen großen Traum erfüllen und Philipp Lahm verpflichten. Angeblich bieten die "Königlichen" 35 Millionen Euro für den 28-jährigen Kapitän der Bayern. Das dieser allerdings eine tragende Säule des Bayernspiels, Identifikationsfigur, Vorbild vieler kleinen Knirpse und Besitzer eines Arbeitspapiers - datiert bis 2016 - ist, ist dem Portugiesen wohl entgangen. Somit müsste Mourinho sich schon selbst für einen Wechsel entscheiden. Nämlich auf die Trainerbank der Münchner. Somit könnte er sich sogar seinen Traum erfüllen.

Dampfmaschine mit Auszeichnung

Bis vor einigen Monaten hätte man es durchaus verstehen können, wenn einige weniger fußballaffine Menschen, David Alaba nur aufgrund seiner grandiosen Justin Bieber-Imitation gekannt hätten. Doch nach und nach machte der junge Österreicher immer mehr durch sportliche statt gesangliche Schlagzeilen auf sich aufmerksam. Standen zu Beginn dieser Spielzeit nur einige Kurzeinsätze in Alabas Saisonbilanz, reifte der Linksfuß auf der linken Defensivseite zu einem der besten Spieler seiner Zunft. Bereits 2010 testete Louis van Gaal den damals 17-Jährigen auf dieser Position. Er sei, so der damalige holländische Übungsleiter der Münchner, prädestiniert für die Aufgaben als Linksverteidiger. Alaba sah dies anders: Er gefiel sich besser auf der Position des zentralen Mannes vor der Abwehr oder gar auf Linksaußen. Hier spielte er auch in Hoffenheim, wohin ihn die Bayern, nach einigen mauen Einsätzen, unter anderem gegen Eintracht Frankfurt, ausliehen. Wieder zurück in München, plante auch Coach Jupp Heynckes Alaba auf den Offensivpositionen ein, besonders als Back-Up für Franck Ribéry. Erst eine langwierige Erkältung Rafinhas, Philipp Lahms unglaublicher Flexibilität und die bescheidene Einkaufspolitik auf den Außenverteidigerpositionen zwangen schlussendlich Heynckes zu seinem Glück. Rafinha hütete das Bett, Lahm rotierte von links auf rechts und Alaba nahm von nun an die Aufgaben des Linksverteidigers wahr. Und wie! Es folgten eine Reihe grandioser Spiele des Fußballer des Jahres in Österreich. Er brillierte auf nationalem wie auf internationalem Parkett. Besonders in Erinnerung bleiben die wuchtigen, dampfmaschinenartigen Offensivsprints zur Grundlinie, die abgeklärte Spielweise und vorallem die Nervenstärke im Elfmeterschießen gegen Real Madrid. David Alaba hat sich im Laufe dieser Saison unverzichtbar für die Bayern gemacht und sorgt endlich für ein Ende der leidigen Außenverteidigersuche. Zwischen seinem früheren Konkurrenten auf der Linksaußen-Position Franck Ribéry und ihm herrschte schon früh ein besonderes Verhältnis: Im Champions League-Spiel gegen Florenz 2010 fauchten sie sich noch aufs Äußerste an; kaum zwei Jahre später bilden sie - in voller Harmonie - eine der besten linken Seiten im europäischen Spitzenfußball.
In München reifte "Alabasi" bereits zum Spitzenspieler und Publikumsliebling. Jetzt hat nun auch die deutsche Fachpresse seine geniale Entwicklung und tollen Leistung honoriert: Alaba wurde mit dem Goldenen K des Kickers als "Bester Newcomer der Bundesliga" ausgezeichnet - und das mit über 50% der Stimmen. Herzlichen Glückwunsch, David Alaba!



6. Juni 2012

Ein undenkbarer Abschied?

Heute morgen kamen Gerüchte über einen eventuellen Vereinswechsel von Thomas Müller auf. Er sagte in der Sport Bild, dass er sich einen Wechsel durchaus vorstellen könnte. Vor großen Spielen bzw. Turnieren hielte sich sein Management mit solchen Angeboten zwar zurück, aber die Situation bei Bayern sei momentan nicht so, dass er danach nicht über einen eventuellen Transfer nachdenken würde. Angeblich interessiert sich Inter Mailand für den 22-Jährigen. Müller ist ein wahrer Ur-Bayer: Er durchlief seit 2000 sämtliche Jugendmannschaften des FC Bayern. Im Jahr 2009 gelang im der Sprung in den Profi-Kader. Es folgte ein kometenhafter Aufstieg: Stammspieler unter Louis van Gaal, eine grandiose erste Saison und eine noch bessere Weltmeisterschaft 2010 mit der Auszeichnung als bester Torschütze sowie als bester Nachwuchsspieler. In der letzten Saison spielte Müller phasenweise unter seinem Niveau, was vielleicht auch daran liegt, dass er mit Toni Kroos einen mehr als ernstzunehmenden Konkurrenten auf seiner Position im Mittelfeld bekam. Man darf jedoch nicht vergessen, dass es erst Müllers dritte Profisaison war und er immer noch erst 22 Jahre alt ist - auch wenn es den Anschein hat, er sei schon ewig dabei. Er gefällt als Identifikationsfigur für den Verein. Auch seine ehrliche und authentische Art ist erfrischend, besonders, wenn er nach Spielschluss freischnauze die Partie für Fernsehanstalten kommentiert. Eigentlich ist Thomas Müller bereits im Bayern-Trikot auf die Welt gekommen. Ob er ein Leben lang für die Roten auflaufen wird, möchte er jetzt noch nicht sagen: "Lebenslang Bayern München? Dazu kann ich seriös erst etwas sagen, wenn ich tot bin", so die Antwort des Nationalspielers. Ehrlich, flapsig und unbekümmert wie immer.

Allerdings hat auch die Chefetage ein Wörtchen mitzureden: Müller hat noch einen Vertrag bis 2015. Die Führungsriege wäre jedoch schön blöd, wenn sie einen solchen Spieler ziehen ließe.

5. Juni 2012

"2:0? Ist ja auch gewonnen!"

Beruflich zog es mich die Tage nach Bremen. Neben der Arbeit die es zu verrichten gab, wurden selbstverständlich die Weser und die Bremer Stadtmusikanten begutachtet. Der Abend allerdings stand im Zeichen der Nationalmannschaft: Gegen Israel stand ein letzter Vorbereitungskick für die in nicht einmal mehr einer Woche beginnenden Europameisterschaft auf dem Programm. Da das Hostelzimmer außer Kakerlaken nichts zu bieten hatte und der norddeutsche Regen mir keine Chance ließ, nach einer vernünftigen Kneipe zu suchen, blieb nur eine Option offen: Eine Spielunke in unmittelbarer Nähe der Unterkunft.

Schon die Inneneinrichtung war alles andere als einheitlich: Neben Wasserpfeifen und Dartscheiben prangerten Fanschals aller erdenklichen Teams. Der MSV Duisburg grüßte genauso von der Bar wie ein Stofffetzen von Denizlispor aus der Türkei. Absolutes Highlight allerdings war eine Büste des ersten Reichskanzlers des Deutschen Reiches Otto von Bismarck aus Porzellan. Eine sehr freundliche Bedienung mittleren Alters nahm sich mir zügigst an: "Wir haben noch zwei Minuten Happy Hour. Das Haake Beck in 0,4 für 1,40 Euro - das müssen se' nutzen!" Dieses unglaubliche Schnäppchen konnte ich mir selbstredend nicht entgehen lassen. Kaum dreißig Sekunden später hatte ich zwar ein frisch gezapftes Bier vor mir stehen, die Distanz zum Fernseher war aber so groß, dass die Herren Lahm & Co auch gut weißgekleidete Ameisen hätten sein können. Gott sei Dank bemerkte die Bardame mein Augenkneifen und hilfloses Starren und fuhr geschwind die Leinwand herab. "Läuft det auf Sky?", fragte sie mich. Ich entgegnete ihr, dass die Partie ausschließlich bei der ARD übertragen wird. "ARD? Hamma nech. Wir ham nur das Erste!"
Nach minutenlangem Zappen war es schließlich vollbracht. Der Beamer warf die Begegnung Deutschland gegen Israel pünktlich zu Spielbeginn an die Wand. Leider erschwerte die unglaublich laute Schlagermusik das Hören der Nationalhymnen. Gelegentliche "Deutschland, Deutschland über alles"-Rufe klangen dennoch hindurch. Das Niveau in der Kneipe war tief - das Spiel konnte also nur besser werden. Der Ball rollte. Hiervon unbeeindruckt versuchte der ansässige Dartverein immer wieder Pfeil für Pfeil auf das Bullseye zu feuern. Nach gespielten 15 Minuten hatten die acht verbierbauchten Proleten, welche von Mandy, einer unförmigen Puderquaste, als Maskottchen unterstützt wurden, genauso viele Bierflaschen geleert. Mit jedem Schluck scheiterten die Versuche immer grandioser. Die Bardame schien mittlerweile verzweifelt, war doch der Vorrat an Flaschenbier bereits aufgebraucht. Doch auch hier wusste sie sich zu helfen und servierte Klopfer en masse. Immerhin waren nun die Klänge von Andrea Berg und Wolfgang Petry verschwunden. So konnte ich nun vernehmen, wie Kommentator Steffen Simon über ein mögliches Vorrundenaus der Deutschen und den sieben bayrischen Schützlingen in der ersten Elf schwadronierte. Bei diesem seichten Geschwätz blieb es leider nicht. Die eingangs erwähnte Mandy schaltete sich ein. Ihr maschinengewehrartiges Geplapper traf leider auch mich. Eine Salve schlug direkt in meinem Gehörgang ein: "Oh, so schade, dass ich und Petzy letztens nicht 32 Stunden durchgefeiert haben!" Uff.
Die Partie dümpelte vor sich hin. Den Deutschen gelangen nur wenige gute Aktionen. Was vielleicht auch an der Tatsache lag, dass Bastian Schweinsteiger das Spiel von der Reservebank verfolgte. Als dieser eingeblendet wurde, grüßte ihn ein Kneipenbesucher, der gerade auf dem Weg zum mit Fußballtor und Ball dekorierten Pissoir war, mit dem Mittelfinger. Hinter mir wurde statt über Manndeckung über das Decken nach der letzten Party gequatscht. Unverständlich, da die Nichtberücksichtigung Mats Hummels für die erste Elf doch von viel größerer Bedeutung hätte sein müssen! 
Aushalten konnte man dieses Klientel nur mit Bier. Meine "Alster"-Bestellung aus süddeutschem Mund löste an der Theke einen frenetischen Jubelschrei aus, der sich erst wiederholt, kurz darauf aber wieder verstummte, als Jérôme Boateng in der 20. Minute beinahe sein erstes Tor im Nationaldress erzielte. Doch statt in die Maschen, klatschte der Ball an den Pfosten. Dieser Knall ließ die Besucher der Spielunke erwachen: Statt den Plan auszufeilen, Mandy zur Hostess auszubilden, fachsimpelten nun Pseudofußballer und Profi-Dartspieler im schlimmsten Stammtischgekeife über die Leistung von Gomez und Konsorten. Als dieser im Vollbild erschien, ließ sich unerwartet ein Gast mit zwei Millimeterhaarschnitt zu selbstkritischen Worten hinreißen: "Jedes Mal nach dem ich beim Friseur war, sehe ich ziemlich beschissen aus." Die 16:9-füllende Ansicht von Mesut Özil ließ seinen Beisitzer ebenso selbstreflektierende Aussagen treffen: "Ich bin Moslem, Alter, ich darf nicht trinken - zumindest donnerstags." Nun denn. Leider passte sich Kommentator Simon dem Niveau der Dampfplauderer im Kneipeninneren an. "Wenn jemand einen gerissenen Faden gefunden hat, dann ist es der der deutschen Nationalelf." Dem bestfrisierten Gomez gelang es in der 40. Minute, das verlorene Stück Garn wiederzuentdecken: Nach Vorlage von Müller netzte der Bayern-Stürmer zum 1:0 ein. Sofort schallten die ersten "Weltmeister, Weltmeister"-Rufe durch den verrauchten Raum. Scheinbar machte sich nun die erste Vorfreude auf die WM 2014 in Brasilien breit... 
Die Halbzeitpause wurde genutzt, um sich über einen scheinbaren kulinarischen Hotspot Bremens auszulassen. Der griechische Schnellimbiss ums Eck sei wohl der beste der Stadt: "Die Portion Pommes und der Gyros krisse für 6 Euro. Das is' so viel, die krisse gar nich alle!"
Die Zweite Hälfte begann munterer, da sich die Israelis nun doch entschlossen hatten mitzuspielen. Neuer rettete zweimal per Flugparade, Özil verpasste das 2:0 im Gegenzug nur knapp. Die Kneipengäste löschten diese heißen Szenen mit neuem, extra in Fässern herbeigeschafften Gerstensaft. Einige Minuten später schob Müller eine 100-prozentige Chance am Tor vorbei. "Hat der Froschfüße?", so der Kommentar meines Nebensitzers. Fortan sollte das Bayern-Bashing bei jeder nur im Ansatz missglückten Aktion eines Roten einsetzen. Er selbst trug eine Vereinsbrille von Bayer Leverkusen, welche Ähnlichkeiten mit den übergroßen Modellen aufwies, die "Posh-Spice" Victoria Beckham zuhauf in ihrem Kleiderschrank bunkert. Ein Castro, Kießling oder auch Rolfes sollten seiner Meinung nach im Kader der Löw-Elf stehen. Nicht, wie von mir angenommen, in einem auf fünfzig Mann erweitertem Aufgebot, sondern in der 23er Auswahl! Dank André Schürrle hatte ich nun auch keine Chance mehr mit Gegenargumenten. Als dieser das 2:0 mit einem satten Distanzschuss erzielte, freute sich unter den restlichen vier Kneipenbesuchern mein Kollege mit dem Bayer-Kreuz im Herzen am allermeisten. Er sprang jubelnd auf, klatschte ab und forderte im gleichen Moment die Ablösung Podolskis auf der linken Seite durch eben jenen Schürrle. "Na siehste? Es geht ja auch ohne Bayern-Spieler! Stammplatz für Schürrle!" Sonst noch etwas? Kitas für alle? ÖPNV für lau? Reiche Eltern für jeden?
Für die letzten fünf Minuten begannen die übrig gebliebenen Kneipengäste hochpolitisch im Jauch'schen Talkrunden-Stil zu diskutieren. Darf man bei einem Spiel gegen Israel die Parole "Sieg" anstimmen? Nach einem Pro-Argument, und dem kurzen Bedenken, dass ja ein rechtsgesinnter Fan ein "Heil" anfügen könnte, kamen sie schließlich doch einstimmig zu dem Entschluss: Man darf. Warum auch nicht. Schließlich hat die Nationalelf ja tatsächlich auch gewonnen. Was der Wirtin wohl zunächst entgangen war, da sie sich mit fragendem Blick zu mir wandte und mich fragte, wie es denn ausgegangen sei. "2:0? Ist ja auch gewonnen!" Na danke für dieses Fazit - und für diesen unvergesslichen Abend.

4. Juni 2012

Die Rückkehr des verlorenen Sohnes bleibt aus

Der verlorene (oder besser vertriebene?) Sohn kehrt so bald nicht zurück: Gestern verlängerte Mats Hummels seinen Vertrag bei der Dortmunder Borussia um weitere drei Jahre bis 2017. Beim BVB entwickelte sich der frühere Kicker der Bayern-Amateure zu einem Verteidiger von internationaler Klasse. 2008 wechselte er zunächst auf Leihbasis zu den Schwarz-Gelben, ehe sie Hummels für eine Ablöse von 4,8 Millionen Euro fest verpflichteten. Die Führungsetage der Bayern hielt es damals für sinnvoller, einem überteuerten Brasilianer den Vorzug vor einem Eigengewächs zu geben. Breno, damals für satte 12 Millionen aus Sao Paolo gekommen, verbrachte mehr Zeit im Krankenbett oder auf der Bank als auf dem Platz. Immer wieder prophezeiten Hoeneß & Co dem Verteidiger eine goldene Zukunft. Spätestens aber nach der angeblichen Brandstiftung riss der Geduldsfaden: Der Vertrag mit dem Brasilianer wurde nicht verlängert. Vermutlich heuert Breno nun bei Lazio Rom an. Was hätten die Münchner heute für eine Innenverteidigung haben können: Badstuber, Boateng und Hummels. Durch die Verlängerung seines Vertrages ist dieser Wunsch nun in weite Ferne gerückt. Schade, eigentlich.

3. Juni 2012

Welch' weiser Transfer!

Vorgestern gab der FC Bayern die Verpflichtung von Mitchell Weiser bekannt. Der junge Rechtsfuß kommt vom 1. FC Köln und soll in Zukunft die rechte Bayernseite - ob offensiv oder defensiv - beackern. Im Frühjahr diesen Jahres gab der Sohn des ehemaligen Bundesliga-Profis Patrick Weiser sein Debüt für die Kölner. Fachleute betiteln den Transfer als einen für die Zukunft, ist der junge Bursche doch gerade einmal 18 Jahre alt. Doch könnte es ihm, meiner Einschätzung nach, schon bald gelingen, sich als Back-Up für den als Rechtsverteidiger vorgesehenen Phillip Lahm zu etablieren. Zu schwach waren die Leistungen in der vergangenen Saison des bis dato eingeplanten Rafinha auf dieser Position. Die richtige Einstellung bringt die neue Nummer 23 auf jeden Fall schon einmal mit. Sprach er von seinem Wechsel an die Isar doch von einer "riesigen Chance" und einer Herausforderung, die man annehmen müsse. Ein weiser (junger) Mann, dieser Weiser - herzlich Willkommen!

1. Juni 2012

Die Vielseitigkeit des Jérôme B.

Dass Jérôme Boateng ein Mann mit vielerlei Talenten ist, müsste bekannt sein. Mal verteidigt er rechts, mal innen, mal links. Boateng ist abseits des Platzes zweifacher Familienvater und sammelt augenscheinlich Baseball-Mützen. Dass er mittlerweile jedoch auch noch neben dem Verteidigen auf dem Platz eine Tätigkeit im Vorstand ausfüllt, war bis spätestens zu diesem Schnappschuss unbekannt...


[Bild: Screenshot Sport1-Video]