11. Juni 2012

Antike versus Zukunft

Welch' gutes Spiel sah man gestern zwischen Spanien und Italien! Die gestrige Partie firmiert zurecht als bestes Spiel der bisherigen (noch jungen) Europameisterschaft. Die Vorzeichen standen jedoch gar nicht so gut: Ließen doch die Aufstellungen eher ein Duell von Moderne gegen Antike vermuten. Trainer Prandelli ließ im variablen 3-5-2 auflaufen und exhumierte zum Erschrecken mancher Virtuosen den Libero. Die Außen im Mittelfeld ließen sich zudem geschickt fallen, sobald die Spanier ihr Offensivspiel aufzogen. Doch kann man, so eine allgemeine These des Stammtischgefachsimpels, nur gegen die Spanier mithalten, wenn man auch mitspielt - und das taten die Mannen um Buffon und Co glänzend. Allen voran Andrea Pirlo im Mittelfeld nutzte seine Freiheiten gekonnt aus, um immer mal wieder einen haargenauen Pass aus dem Fußgelenk zu schlagen. Auch Marchisio und Giovinco machten eine gute Partie. Einzig Mario Balotelli, das enfant terrible der italienischen Auswahl, fiel lediglich durch eine sensationelle Rettung des Balles mit der Hacke und durch eine verschnarchte Chance, als er alleine auf Casillas zu lief, auf. Anders als die Squadra Azzurra ließ Vicente del Bosque seine Mannen im derzeit wohl innovativsten Spielsystem auf den Rasen. Im Stile des barcelonesischen "Tiki-Taki" begannen die Spanier in einem flexiblen 4-3-3 ohne echte Sturmspitze. Der spätere Torschütze Fábregas  stieß immer wieder gefährlich ins Sturmzentrum, ließ sich aber genauso oft auch zurückfallen, um den offensiven Außen Iniesta und Silva Freiräume zu schaffen. Im defensiven Mittelfeld zog Xavi die Fäden und ließ sich von Sergio Busquets den Rücken frei halten. Trotz diesen Bedenken im Vorfeld wurde die Begegnung zu einer hochklassigen. Sämtliche Verfechter des traumhaften Passes kamen auf ihre Kosten. So schnibbelte Andrea Pirlo einen unglaublichen Ball zu di Natale, der eiskalt zum 1:0 einnetzte. Aber auch die Spanier ließen sich nicht lumpen und zeigten ebenfalls, dass sie zurecht als Anwärter auf den Titel gelten. Eine schöne Kombination, garniert von einem Zuckerpass von David Silva und gekrönt durch ein tolles Tor von Fábregas sorgte für den verdienten 1:1-Ausgleichstreffer. Doch auch die Spanier hatten ihre Graupe auf dem Platz: Fernando Torres. Was der wohl - im Preis-Leistungs-Verhältnis gesehen - schlechteste Spieler aller Zeiten ablieferte, war einer EM-Teilnahme nicht würdig. Doch von ihm werden die Spanier nicht abhängig sein: Entweder sie laufen gar ohne Spitze auf oder werfen einfach einen Llorente, Pedro oder Negredo ins Spiel.
Das gestrige #Espita (So lautete der - Achtung, Nerd-Sprache! - Hash-Tag des Spitzenspiels beim kommunikationsfreudigen ZDF): Es war ein tolles Duell zweier Mannschaften mit grundverschiedenen Spielsystemen. Trotz dieses Unentschiedens und dem gleichzeitigen Sieg der Kroaten gegen die Iren werden wohl beide Teams ins Viertelfinale der Euro einziehen. Die einen mit antiken, die anderen mit futuristischen Mitteln - alles andere wäre eine Überraschung. 

Auch erschienen auf SPOX.

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