9. November 2012

Sieg gegen die "Schlappekicker": Das Meisterschaftsfinale 1932

Am kommenden Samstag trifft die Frankfurter Eintracht zum Bundesliga-Topspiel auf den FC Bayern. Kaum einer hätte vor der Saison dieser Partie eine solche Wichtigkeit beigemessen. Gewinnen die Hessen, verkürzen sie den Vorsprung auf die Münchner und werden, sollte auch Schalke 04 Punkte liegen lassen, wieder Bayern-Jäger Nummer Eins. Sollten aber die Bajuwaren als Sieger vom Platz gehen, ziehen sie mit weiteren drei Punkten im Gepäck vorneweg und könnten somit bereits am 11. Spieltag für akute Langeweile im Ligabetrieb sorgen. Bereits vor 80 Jahren trafen beide Mannschaften zu einem spannenden Duell aufeinander: im Finale um die deutsche Meisterschaft 1932.

Das Endspiel um die Deutsche Fußballmeisterschaft vom 12. Juni 1932 stellte das letzte große Fußballereignis vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten und einer folgenden Zäsur in der Geschichte dar. Das Interesse der Zuschauer war damals immens: Bereits eine Woche vor dem angesetzten Termin waren alle Sitzplatzkarten, ein Stück für vier Reichsmark, restlos ausverkauft. Die Fahrt zum Endspielort sei eine "sportliche Mobilmachung" gewesen, die ihresgleichen gesucht habe. Der ehemalige Präsident vom FSV Frankfurt, dem Stadtrivalen der Eintracht, Dr. David Rothschild, gab zu Protokoll, dass "Lastwagen auf Lastwagen" durch die Straßen fuhren, welche "behängt waren mit Menschenköpfen". "Wie reife Trauben" seien sie hin und her getaummelt samt hunderten Fähnchen, die in die "duftende Morgenluft" stießen. So überliefert das der Journalist und Autor Hardy Grüne in seinem Werk 100 Jahre Deutsche Meisterschaft. Das Interesse an dieser Begegnung war auch der Tatsache geschuldet, dass Süddeutschland sich zur unbestrittenen Hochburg des deutschen Spitzenfußballs entwickelt hatte. Mit Frankfurt, München und Nürnberg stellte der Süden der Republik gleich drei Halbfinalteilnehmer. Zusätzliche Brisanz erfuhr die Partie, da sich beide Mannschaften zwei Monate zuvor im Finale um die Süddeutsche Meisterschaft gegenüberstanden, welches die Eintracht am grünen Tisch gewann. Erboste Fans, heute in den Medien vermutlich "Ultras", "Hooligans" oder "Problemfans" genannt, hatten, aufgrund der umstrittenen Schiedsrichterleistung, einen Spielabbruch herbei geführt. Laut Frankfurter Zeitung erwies sich das Stadion mit 60 000 Plätzen als zu klein, so dass in letzter Minute noch 5 200 Plätze angebaut werden mussten. Anderthalb Stunden vor Anpfiff der Partie seien zudem "sämtliche Stehplätze überfüllt" gewesen. In "vierzigfachen Reihen stauten sich die Menschenmassen" und "immer wieder stießen neue Menschen in die Ränge hinein", was zu "Geschrei und Protest" führte.
Nicht nur vor, sondern auch während der Partie verfolgten die Anhänger der Vereine die Partie emotional, positiv wie negativ. So berichtete die Frankfurter Zeitung über den "jugendlichen Mittelstürmer Rohr" von Bayern München, welcher "mit sicherem Blick geleitet, die Zuschauer begeisterte". Oskar Rohr war es schließlich auch, der die Mannen von Trainer Richard "Dombi" Kohn mit einem Strafstoß - verursacht durch ein Handspiel des Frankfurter Verteidigers Hans Stubb - in Führung brachte. Rohr, damals 20 Jahre alt, galt als eines der größten Talente im deutschen Fußball zur Zeit der Weimarer Republik. Er debütierte früh unter Reichstrainer Otto Nerz und spielte unter anderem in der Nationalmannschaft an der Seite von Ernst Kuzorra. Der als Antwort auf die Führung der Bayern folgende aggressive Spielstil der Hessen stieß beim Publikum nicht auf Gegenliebe. So legte die Eintracht ein so hartes Zweikampfverhalten an den Tag, dass sich die Sympathien des Publikums fast völlig den Münchnern zuwandten. Hinzu kam, dass das bayrische Spiel den Fans in den Kurven des Städtischen Stadions zu gefallen schien, glaubt man zumindest den Münchner Neuesten Nachrichten. Bayernfähnchen wurden immer wieder geschwungen und ein "Hipp Hipp Hurra" auf die Spieler des FC Bayern aufgebracht. Das Stadion rase "in einen Taumel der Begeisterung". Schließlich sorgte Franz Krumm, mit einer wunderbaren Einzelleistung und einem anschließenden Prachtschuss, in der 75. Minute mit der 2:0-Führung für die Vorentscheidung. Ein weiteres Aufbäumen der Eintracht - oder wie der Kicker von 1932 es nannte, eine weitere "Gewaltoffensive" - wurde durch die bayrischen Verteidiger Sigmund Haringer und Konrad Heidkamp unterbunden, sodass alle Angriffe der Frankfurter, um Theodor Trumpler, Karl Ehmer und August Möbs, verpufften. Die "Schlappekicker" mussten sich geschlagen geben.
Nach dem Schlusspfiff herrsche ein unglaubliches Hochgefühl: "Alle Absperrung ist jetzt machtlos, im Nu haben die in der letzten Viertelstunde schon an die Spielfeldgrenzen herangerückten Massen den Platz überflutet, heben die Bayernleute auf die Schultern und feiern den Sieger", so das heute unter Süddeutsche Zeitung besser bekannte Blatt Münchner Neueste Nachrichten. Die Bayern feierten im Jahr 1932 ihren ersten Meisterschaftstitel. Die mit hochkarätigen Akteuren gespickte Mannschaft verpasste es allerdings, eine neue Ära einzuleiten. Namhafte Abgänge, Probleme in der Führungsetage und nicht zuletzt die Entwicklung der deutschen Geschichte, machten diesem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung.
Die Meisterschaft wird am morgigen Samstag, 15.30 Uhr, noch nicht entschieden. Jedoch könnte der FC Bayern München, mit einem Sieg gegen die Frankfurter Eintracht, einen großen Schritt in Richtung Titel tätigen.

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