13. Juli 2012

"Zehn Spieler von Dynamo und ein Linksverteidiger von Werder Bremen!"

Viktor Skripnik (43), ehemaliger Bundesligaspieler von Werder Bremen und Nationalspieler der Ukraine, wird in dieser kleinen Reihe Einblicke in sein Privatleben geben. Mal sprachen wir über seine Anfänge im Fußball, dann wiederum über die Fertigkeiten eines Fußballtrainers. Heute plaudert Skripnik im letzten Teil der Interview-Reihe über die wichtigsten Personen, die ihn während seiner Laufbahn begleiteten. Der "Beckham der Ukraine" äußert sich ebenso zu den Fertigkeiten eines guten Trainers, zur medialen Berichterstattung und zu seinen größten Momenten.


Welches waren die wichtigsten Personen, die Sie während Ihrer Laufbahn begleiteten?


Ich glaube, für uns Sportler ist die Familie am wichtigsten. Personen, die nach einer schwierigen Zeit Zuhause auf dich warten und dir die nötige Kraft zum Kämpfen geben. Das ist eine entscheidende Sache für einen Profifußballer. Wenn man nur Stress hat und niemand Zuhause auf Dich wartet, hast du keine langfristige Chance auf höchstem Niveau zu spielen. Für mich lief es optimal: Ich hatte das Glück, dass meine Familie sofort mitreisen konnte. Werder hat sich sehr toll um uns gekümmert und uns eine schöne Wohnung besorgt. Dafür bin ich sehr dankbar. Heute lachen wir gemeinsam über die damaligen anfänglichen Probleme. Man muss aber auch jeden Tag bewusst lernen, sonst kommt man nicht voran. Ich war damals in der Ukraine ein Star, der Wechsel nach Bremen ließ mich zu einem ganz normalen Spieler bei einer Mannschaft auf gutem Niveau werden.

Gab es auch Trainer die für Ihre Laufbahn prägend waren?

Ja natürlich. Besonders der Trainer, der mich damals verpflichtete (Hans-Jürgen Dörner, Anm. des Autors) 5 Mio. Mark gekostet. Heute ist die Summe nicht mehr sehr hoch für einen Transfer, aber für damalige Verhältnisse war dies sehr viel Geld, insbesondere für meinen damaligen Verein. Damit kann man seine Jungs schon einige Monate durchbringen (lacht)! Diesen Druck nimmt man natürlich mit. Natürlich hat man bei dem Trainer, der dich geholt hat, einen kleinen Bonus. Aber trotzdem musst du jedes Mal zeigen, dass du es verdient hast, von Beginn an zu spielen. Klar ist man kein Roboter, aber du musst versuchen auf dem höchstmöglichen Niveau zu agieren, das macht die Besten aus. Aber ich hatte nicht nur gute Zeiten. Dazu kamen auch Verletzungen. Das war zwar schwer, aber trotzdem wichtig für mich.

Sie sind seit 2008 erfolgreicher Jugendtrainer bei Werder Bremen. Was macht einen guten Trainer aus und welche Eigenschaften muss er haben?

Die Kommunikation mit den Jungs ist wichtig. Mit zu viel Distanz kommt man als Trainer nicht weiter. Man muss einfach kapieren, dass die Jungs im Jugendbereich nicht für Geld spielen. Sie lieben Fußball, sie tragen das Spiel noch im Herz. Sie träumen von einem Vertrag im Profifußball. Und wenn ein Trainer, der dafür da ist, diesen Wunsch zu erfüllen, dies nicht schafft, so ist das auch sein Fehler. Auch wenn jeder weiß, dass es verdammt schwer ist, von zwanzig Leuten, alle zwanzig nach oben zu bringen. Bereits wenn es bei Zweien gelingt, ist dies schon ein Erfolg. Wichtig ist es, einfach ehrlich zu seinen Spielern zu sein. Man muss Kompetenz in jedem Bereich vorweisen können, etwa in taktischen Dingen, aber auch außerhalb des Platzes. Du musst nicht nur Zucker geben, sondern auch mal konsequent sein. Ähnlich ist es in der Familie: Kommt der Papa nach Hause, weiß man auch, ob er gute oder schlechte Laune hat. Genauso ist es hier. Allerdings mit 20 Kindern – und jedes Jahr bekomme ich neue. Besonders in meiner Funktion ist es schwer: Ich arbeite mit Spielern, die gerade in der Pubertät sind. Man weiß also nie was passiert…

Orientieren Sie sich als Coach an anderen Trainern unter denen Sie selbst spielten, wie etwa Thomas Schaaf oder ihr Coach zu Nationalmannschafts-Zeiten Valerij Lobanowski?

Wir haben bei Werder unsere Regeln. Alle Trainer, allen voran Thomas Schaaf, arbeiten an einer einheitlichen Philosophie. Wir fragen uns immer: Was passt zu Werder? Wie sollen sich unsere Jungs entwickeln? Das ist auch ein Grund, warum das Stadion immer voll ist. Werder ist eine attraktive Mannschaft, spielt immer mit Kombinationsfußball nach vorne. Deshalb wollen wir das bereits im Jugendbereich in unserem Leistungszentrum trainieren. Diese Philosophie vertreten nicht nur Thomas Schaaf, sondern alle Werder-Trainer, wie Mirko Votava oder Thomas Wolter, die allesamt ihren Job bestens erledigen.

Welcher Trainer beeinflusste Sie am meisten?


Ich erinnere mich etwa an Valerij Lobanowski oder Felix Magath. Aber ich glaube, es wäre nicht richtig, nur bei anderen Trainern abzuschauen. Fußball entwickelt sich weiter. Heute sind andere Dinge bedeutsamer, wie zu unseren Zeiten. Wichtig ist, dass du fachkompetent bist, dass du weißt wo es lang geht. Man muss selbstkritisch sein und die Entwicklungen stetig analysieren. Mit Hilfe der neuen Medien, wie dem Internet, kann man jede Taktik und jedes Spiel aufbereiten. Anders als damals, als du immer live schauen und dich an die Szenen erinnern musstest. Heute kannst du schneiden, wiederholen und so weiter.


Nach einem guten Start in Deutschland fielen Sie in der Saison 1999/2000 in ein Loch. Die Medien spekulierten über anstehende Wechsel, kritisierten Sie und bezeichneten Sie als „Ladenhüter“.
Wie nahmen Sie den Druck damals wahr?


Bei jeder Sportart ist es so, dass du bei einer guten Leistung der König bist. Bei einer schlechten aber bekommst du Antipathie ab. Jeder Zuschauer, jeder Fan und die Medien sind  ungeduldig. Sie wissen nicht, wie du trainierst, ob du angeschlagen oder verletzt bist. Oder du hast einfach mal eine Phase, in der es für dich aus mehreren Gründen einfach nicht läuft. Klar, wenn man regelmäßig schwach spielt oder verletzt ist, dann wird man halt verkauft, aber jeder hat mal eine schwächere Zeit. Wenn man aber aus diesem Keller wieder heraus kommt, ist man nur noch stärker. Wichtig war in meiner Karriere, dass der Trainer gerade in solchen Situationen Vertrauen in mich hatte.

Kommen wir zum Schluss noch einmal zurück zu Ihrer Spielerkarriere. Was waren die wichtigsten Momente Ihrer Laufbahn?


Natürlich kann man die ersten Spiele nicht vergessen, beispielsweise im Profibereich im Alter von 19 Jahren bei einem Turnier in der SSR, wo Mannschaften wie Spartak Moskau oder Dynamo Tiflis spielten. Das war sehr faszinierend. Oder die Rückkehr von Waleriy Lobanowski zur Nationalmannschaft. Sehr stolz war ich beispielsweise mal, als ich der einzige Spieler in der Startelf der ukrainischen Auswahl war, der nicht bei Dynamo Kiew spielte. Zehn Spieler von Dynamo und ein Linksverteidiger von Werder Bremen! Aber auch denke ich oft an das DFB-Pokalfinale zurück oder an die Meisterschaft 2004 mit Werder. Als aktiver Spieler kümmerst du dich allerdings kaum um die Erfolge. Jetzt erst, wo die Zeit vergeht, man mal ein Blick ins Archiv wirft, kommen die schönen Erinnerungen wieder hoch.


[Bild: Tobias Ilg, Mitarbeit: Philipp Schaefer]

Auch erschienen bei 11Freunde und beim Osteuropakanal


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